Rz. 150

Aufgabe des Nachlasspflegers ist es in den meisten Fällen, die Erben zu ermitteln,[83] und zwar zuerst einmal die testamentarischen Erben. Wenn dies nicht der Fall ist, sind die gesetzlichen Erben zu ermitteln. Wurden testamentarische Erben ausgemacht, sind auch erb- und pflichtteilsberechtigte Personen zu ermitteln.

 

Praxishinweis

Bei der tatsächlichen Erbenermittlung ist ähnlich vorzugehen wie bei der Nachlasssicherung: Es ist die komplette Wohnung abzusuchen. Bei Anhaltspunkten sind z.B. auch Bücher, Briefe und Belege durchzusehen. Es ist sozusagen die Wohnung "auf den Kopf zu stellen". Es könnten Unterlagen aufgefunden werden, wie z.B. zu einer Vereinszugehörigkeit, alte Tagebücher, alte Ausweise, Unterlagen über Prozesse. Beim Auffinden notarieller Urkunden wird empfohlen, eine Testamentsnachfrage beim Notar zu machen. Auch bei ehemaligen Bevollmächtigten sollte nachgeforscht werden.

 

Rz. 151

Der Nachlasspfleger kann sich bei der Erbenermittlung der Mithilfe folgender Institutionen (und auf sonstige Art) bedienen:

Polizeibehörden;
Einwohnermeldeämter: Dort sind nahezu immer mehrere Datenbestände vorhanden. Datenbestand I sind die melderechtlichen Daten der letzten zehn Jahre, Datenbestand II sind die Daten außerhalb dieses Zeitraums. Leider ist die Auskunftspraxis dazu übergegangen, nur noch Auskünfte mit Vorkasse zu erteilen, wobei die Auskünfte aus dem Datenbestand II in etwa bei 25 EUR liegen;
Standesämter: Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden; Kriegerverzeichnisse werden bei den meisten Standesämtern geführt. Aus der Sterbeurkunde ergibt sich oftmals gem. § 64 PStG der Familienstand des Erblassers. Es ist nicht nur die Sterbeurkunde anzufordern, sondern auch ein Auszug aus dem Sterbebuch, da dort weitere Informationen vermerkt sind. Wenn die Auskunft nicht erteilt wird, so ist das gerichtliche Verfahren gem. § 45 Abs. 1 PStG zu betreiben;
Pfarrämter: insbesondere dann, wenn es sich um den Bereich der Feststellung der gesetzlichen Miterben handelt und keine Personenstandsbücher geführt worden sind, weil es sich um einen Zeitraum handelt vor 1872 oder die Personenstandsbücher untergegangen sind (ehemalige deutsche Gebiete);
Friedhofsverwaltungen, wobei das Ergebnis sehr unterschiedlich ausfallen kann. Zum Teil wird taggenaues Sterbedatum verlangt;
Evangelisches Zentralarchiv, Jebensstraße 3, 10623 Berlin;
Deutsche Zentralstelle für Genealogie Leipzig, Käthe-Kollnitz-Str. 82, 04109 Leipzig;
Bischöfliches Zentralarchiv, Übermünsterplatz 7, 93047 Regensburg;
Versicherungsämter, Unfallgenossenschaften, Versorgungsämter;
Konsulate: Konsularauskünfte können sehr kostenintensiv (80 bis 150 EUR und darüber) und zeitaufwendig sein (bis zu sechs Monate). Besser ist gelegentlich, das Außenministerium bzw. die Deutsche Botschaft um "Amtshilfe" zu bitten;
Standesamt Berlin, Rückerstr. 9, 10119 Berlin: an dieser Stelle werden oft zahlreiche Personenstandsbücher aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten verwahrt;
Hauptstandesämter Baden-Baden, Hamburg, München (§ 15 Abs. 3 EheG) sind für Eheschließungen von Personen ohne inländischen Wohnsitz einschlägig;
Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen Gefallener der ehemaligen deutschen Wehrmacht, Eichborndamm 179, 13403 Berlin: Falls das jeweilige Kriegerverzeichnis der betreffenden Stadt und die Auskunft beim Standesamt I in Berlin negativ ausgefallen ist, kann gerade bei Gefallenen im Zweiten Weltkrieg hier weiter Auskunft eingeholt werden;
Detekteien: Hier hat der betreffende Nachlasspfleger vorab Vergleichsangebote einzuholen, um nicht später bei der Geltendmachung seiner Auslagen auf Schwierigkeiten zu stoßen; so liegen die Kosten für die Ermittlungen bzgl. unbekannter Personen bei 80 bis 1.000 EUR und darüber; auch die Auswahl des richtigen Unternehmens bereitet zudem massive Schwierigkeiten, da es sich um einen Berufszweig ohne Zulassungserfordernisse handelt;
Rotes Kreuz: Gelegentlich unterstützt das Rote Kreuz die Ermittlungen, wobei jedoch mit einer Bearbeitungsdauer von bis zu 12 Monaten zu rechnen ist;
Rechtsanwaltskanzleien mit Auslandsbeziehungen: Bei einzelnen Nachlassgerichten können Kanzleien mit Auslandsbeziehungen abgefragt werden; die Kosten liegen jedoch zum Teil auf einem sehr hohen Niveau (ca. 2.000 bis 2.500 EUR und darüber);
Kriegsgräber;
Zeitungsinserate: Auch hier besteht für den Nachlasspfleger die Gefahr, dass er diese Kosten unter Umständen dem Nachlass nicht weiterberechnen kann; Zeitungsinserate durch den Nachlasspfleger selbst sind deutlich kostspieliger als das Schalten von Aufgeboten durch das Nachlassgericht und wenn Zeitungsinserate geschaltet werden, hat der Nachlasspfleger dies entsprechend zu begründen;
Erbenermittler: Nur in sehr komplizierten Fällen und nach Rücksprache mit dem Nachlassgericht sollten die speziellen Erbenermittler eingeschaltet werden – dies begründet sich in der Fürsorgepflicht des Nachlasspflegers für den unbekannten Erben. Wenn der Nachlasspfl...

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