Rz. 23

Weitere Voraussetzung zur Anordnung eines Sicherungsmittels ist ein Sicherungsbedürfnis nach dem mutmaßlichen Interesse des endgültigen Erben. Das Sicherungsbedürfnis ist gegeben, wenn

ohne Nachlasspflegschaft (Erbenermittlung) die Erben von dem Nachlass nie erfahren und ihn deswegen nie erhalten würden;[25]
eine Forderung für den Nachlass geltend zu machen ist;
der Erbe unbekannt ist und der Vermieter des Verstorbenen einen Ansprechpartner benötigt, um die Kündigung der Mietverträge auszusprechen, um die Räumung der Mietwohnung erreichen zu können.[26] Wenn dann die Räumung ansteht, kann die Nachlasspflegschaft nicht auf die Beendigung des Mietverhältnisses beschränkt werden,[27] sondern muss weiterbetrieben werden;
eine Gefährdung des Nachlassvermögens besteht und die Nachlassverbindlichkeiten stetig aus einem ungekündigten Mietverhältnis ansteigen sowie auf diese Weise der Nachlass aufgebraucht wird;
zum Erwerb der Erbschaft durch eine ausländische juristische Person eine staatliche Genehmigung erforderlich ist;
Forderungen gegen den Nachlass geltend gemacht werden;[28]
ohne Eingreifen des Nachlassgerichts der Bestand des Nachlasses gefährdet wäre und deshalb aufgrund dringlicher Nachlassangelegenheit ein konkreter Sicherungsanlass begründet ist.[29] Ein vorhandenes Barvermögen, welches gesichert, aber nicht angelegt ist, rechtfertigt kein Sicherungsbedürfnis.
 

Zusammenfassung

Ein Fürsorgebedürfnis i.S.v. § 1960 BGB besteht dann, wenn ohne Eingreifen des Nachlassgerichts der Bestand des Nachlasses gefährdet wäre.

 

Rz. 24

Das Sicherungsbedürfnis fehlt i.d.R. in den Fällen, in denen

ein vorläufiger Erbe (kein Fürsorgebedürfnis bei ordnungsgemäßer Verwaltung durch die Erben gem. § 2098 BGB),
ein Ehegatte (kein Fürsorgebedürfnis bei Ehegatten, insbesondere des überlebenden Ehegatten bei beendeter Gütergemeinschaft gem. § 1472 Abs. 4 BGB),
ein Elternteil (kein Fürsorgebedürfnis bei Eltern, dies ergibt sich aus § 1698b BGB),
Abkömmlinge,
Hausbewohner des Erblassers,
ein Vermögensverwalter des Erblassers (es wird auf die besondere Fürsorge des Beauftragten gem. § 672 BGB hingewiesen)

vorhanden sind, die den Nachlass in Besitz genommen haben und ihn zuverlässig verwalten, oder

eine über den Tod hinauswirkende Generalvollmacht vorliegt, wobei hier unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.[30]

Kein Fürsorgebedürfnis besteht auch bei einem vorhandenen Vormund, da § 1893 BGB bereits ausreicht.

 

Rz. 25

Besonderheiten: Für die Sicherung des Nachlasses von Seeleuten ist § 76 SeemG zu beachten. Danach hat der Kapitän die Sachen des verstorbenen oder vermissten Besatzungsmitglieds zu sichern, zu verwahren und dem Seemannsamt zu übergeben.

 

Rz. 26

Für die Sicherung des Nachlasses von Ausländern gelten in erster Linie die Staatsverträge. Soweit solche Verträge nicht entgegenstehen oder Staatsverträge nicht bestehen, ist nach deutschem Recht zu prüfen und zu entscheiden, ob und welche Fürsorgemaßnahmen zur Sicherung des im Inland befindlichen Nachlasses eines Ausländers geboten sind. Nachlasspflegschaft über einen Ausländernachlass ist auch dann zulässig, wenn das für die Beerbung geltende Recht kein derartiges Rechtsinstitut kennt.[31] Die Anordnung einer Pflegschaft über den Nachlass eines Ausländers gehört nicht zu den dem Rechtspfleger übertragenen Aufgaben. Sie ist dem Richter vorbehalten.[32]

[25] KG NJW 1971, 565 f.
[26] OLG Köln ZEV 2011, 582.
[28] LG Köln ZMR 2009, 41.
[30] LG Gießen Rpfleger 2007, 665 f.
[31] Soergel/Stein, § 1960 Rn 53.
[32] OLG Hamm MDR 1976, 492.

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