Rz. 3

Die Durchführung des Beteiligungsverfahrens nach § 102 BetrVG im Geltungsbereich des BetrVG ist immer dann erforderlich, wenn der Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung beabsichtigt ist, diese Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer i.S.v. § 5 Abs. 1 BetrVG erfolgen soll und in dem betroffenen Betrieb des Unternehmens ein funktionsfähiger Betriebsrat zum Zeitpunkt der mitzuteilenden Kündigungsabsicht besteht.

 

Rz. 4

Das Anhörungsrecht nach § 102 Abs. 1 BetrVG gilt für alle Betriebe, in denen ein Betriebsrat nach § 1 BetrVG gewählt worden ist. Eine bestimmte Zahl beschäftigter Arbeitnehmer oberhalb der Schwelle des § 1 BetrVG muss dabei nicht erreicht werden.

 

Rz. 5

Aufgrund des Territorialitätsprinzips, das auch das BetrVG beherrscht, sind alle Betriebe erfasst, die im Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland liegen. Daher gilt § 102 BetrVG auch für Betriebe ausländischer Unternehmen, die im Inland gelegen sind. Die Nationalität der Arbeitnehmer ist ebenso wenig entscheidend wie die Frage, welches Arbeitsvertragsstatut von den Arbeitsvertragsparteien berufen wurde. Grundsätzlich findet das BetrVG auf Arbeitnehmer in Betrieben deutscher Unternehmen im Ausland keine Anwendung.[1] Der Betriebsrat eines (inländischen) Betriebs ist aber anzuhören, wenn der Arbeitnehmer eines inländischen Betriebs nur vorübergehend zur Arbeitsleistung ins Ausland entsandt worden ist, damit seine Betriebszugehörigkeit nicht beendet wurde und diesem Arbeitnehmer nunmehr gekündigt werden soll.[2]

 

Rz. 6

In Tendenzbetrieben muss der Betriebsrat vor der Kündigung von Tendenzträgern ebenfalls angehört werden. Nach der Rspr. des BAG sind ihm alle Gründe, auch tendenzbezogene, mitzuteilen.[3] Dabei ist es dem Betriebsrat allerdings verwehrt, gegen die tendenzbedingten Motive der beabsichtigten Kündigung Einwendungen zu erheben; er kann Bedenken nur hinsichtlich sozialer Gesichtspunkte geltend machen.[4] Bei einer ausschließlich tendenzbezogenen Kündigung steht dem Betriebsrat daher kein Widerspruchsrecht nach § 102 Abs. 3 BetrVG zu, sodass das Entstehen eines Weiterbeschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 BetrVG ausgeschlossen ist.[5]

 

Rz. 7

Nach § 130 BetrVG findet das Gesetz keine Anwendung auf Verwaltungen und Betriebe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstiger Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Fällt also ein Arbeitsverhältnis in den Bereich des öffentlichen Dienstes (z.B. Bund, Länder, Kommunen), dann tritt an die Stelle der Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG die Beteiligung des Personalrats nach den §§ 72, 79 BPersVG bzw. den einschlägigen Landespersonalvertretungsgesetzen. Zu weiteren Einzelheiten vgl. unter Rdn 240 ff.

 

Rz. 8

Handelt es sich bei dem zu beurteilenden Lebenssachverhalt um ein kirchliches Mitarbeiterverhältnis, ist § 118 Abs. 2 BetrVG zu berücksichtigen. Danach findet das BetrVG keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen. Dies gilt unabhängig davon, in welcher Rechtsform diese Einrichtungen erscheinen. Bei einem kirchlichen Mitarbeiterverhältnis sind dann die Mitarbeitervertretungsregeln der evangelischen Kirche und die der katholischen Kirche zu berücksichtigen.[6] Zu weiteren Einzelheiten vgl. unter Rdn 243 ff.

 

Rz. 9

Einschränkungen gelten im Rahmen eines Arbeitskampfs. Wenn und soweit die Kündigung aus arbeitskampfbedingten Gründen erfolgt, entfällt nach zutreffender Auffassung des BAG die Pflicht, gem. § 102 BetrVG den Betriebsrat anzuhören.[7] Im Übrigen, wenn also eine Kündigung ausgesprochen wird, die nicht mit der Kampfabwehr im Zusammenhang steht, ist zuvor anzuhören.[8]

 

Rz. 10

Entgegen oftmals in der Praxis anzutreffender Auffassungen werden die Beteiligungstatbestände des BetrVG bei Eilfällen nicht, bei Notfällen nur in engen Grenzen außer Kraft gesetzt. Für § 102 BetrVG ist anerkannt, dass Eil- und Notfälle den Beteiligungstatbestand grundsätzlich nicht außer Kraft setzen.

 

Rz. 11

Der allgemeine persönliche Anwendungsbereich des § 102 BetrVG erstreckt sich auf alle Arbeitnehmer i.S.d. § 5 Abs. 1 BetrVG. Erfasst werden daher Arbeiter, Angestellte, zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, Teilzeitarbeitnehmer, Arbeitnehmer auf Abruf, in Heimarbeit, Beschäftigte, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten und Beamte sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privat-rechtlich organisierter Unternehmen tätig sind. Die Art des Arbeitsverhältnisses spielt keine Rolle. Es werden deshalb Probe- und Aushilfsarbeitsverhältnisse und auch Arbeitsverhältnisse während der Wartezeit nach § 1 KSchG und in sonstigen Fällen fehlenden Kündigungsschutzes von § 102 BetrVG erfasst.[9] Auch wenn das Arbeitsverhältnis ruht, z.B. wegen Wehrdienst oder Elternzeit, ist der Betriebsrat anzuhören.

 

Rz. 12

Damit entfällt eine Verpflichtung zur Anhörung gegenüber freien Mitarbeitern, da diese nicht unter den Anwendungsbereich des ...

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