Rz. 87

Auch bei der verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat all diejenigen Umstände mitteilen, auf die er, der Arbeitgeber, die Kündigung stützen will. Stimmen auch diese Überlegungen mit den Gründen überein, die eine verhaltensbedingte Kündigung sozial rechtfertigen, sind diese Gründe umfassend und vollständig vorzutragen (zu den Einzelheiten der verhaltensbedingten Kündigung vgl. § 2). Dazu gehört u.a.

die Beschreibung des kündigungsbegründenden, aus der Sicht des Arbeitgebers pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers (Verletzung Haupt- oder Nebenpflicht),[115]
die Darlegung eingetretener Störungen und der nachteiligen Auswirkungen im Bereich des Arbeitgebers einschl. der daraus abzuleitenden zukünftig erwarteten negativen Folgen,
die Interessenabwägung Arbeitnehmer/Arbeitgeber,
die Einhaltung des Ultima-ratio-Prinzips z.B. durch Abmahnung.
 

Rz. 88

Wenn also der Arbeitgeber den zu kündigenden Arbeitnehmer abgemahnt hat und er dies in seine Kündigungsüberlegungen mit einbezieht, ist dem Betriebsrat Datum und Inhalt und bei arbeitgeberseitiger Berücksichtigung einer Gegendarstellung des Arbeitnehmers auch diese mitzuteilen.[116] Der Arbeitgeber muss also dem Betriebsrat nicht nur die Vorfälle, die die Kündigung rechtfertigen sollen, genau bezeichnen, sondern dem Betriebsrat zusätzlich mitteilen, dass, wann, warum und ggf. wie oft der Arbeitnehmer abgemahnt wurde.[117] Zieht der Arbeitgeber Umstände, die vorliegen und im Rahmen der von ihm vorgenommenen Interessenabwägung von Bedeutung sind, für seinen Kündigungsentschluss heran, dann sind auch alle diese den Arbeitnehmer entlastenden Umstände dem Betriebsrat mitzuteilen.[118] Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmer zu dem kündigungsbegründenden Sachverhalt angehört hat. In diesem Fall sind dem Betriebsrat die Tatsachen und Umstände der Anhörung, ihr Inhalt und Ergebnis mitzuteilen. Ebenso sind dann sonstige Argumente des betroffenen Arbeitnehmers, die dieser im Zusammenhang mit der Kündigung dem Arbeitgeber gegenüber zu seiner Rechtfertigung oder Entschuldigung mitgeteilt hat und die dieser in seine Kündigungsüberlegungen mit einbezieht,[119] zu benennen. Einschränkungen ergeben sich hinsichtlich der Angabe von Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Familienstatus, da bei einer verhaltensbedingten Kündigung eine Sozialauswahl nicht stattfindet. Die Mitteilung dieser Daten kann aber im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgenommenen Interessenabwägung Relevanz erlangen.

 

Rz. 89

In diesem Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht entschieden,[120] dass der Grundsatz der subjektiven Determination des Anhörungsverfahrens nicht dazu führt, dass auf eine Mitteilung persönlicher Umstände ganz verzichtet werden kann, auch wenn der Arbeitgeber sie nicht berücksichtigt hat. Der Arbeitgeber ist von daher gehalten, im Allgemeinen das Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie einen eventuellen Sonderkündigungsschutz dem Betriebsrat mitzuteilen. Dies soll auch für eine verhaltensbedingte Kündigung gelten, da dem Betriebsrat keine persönlichen Umstände vorenthalten werden dürfen, die sich im Rahmen einer Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Einschränkung der Angaben der Sozialdaten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG zum AGG (vgl. oben Rdn 72) ohnehin obsolet. Aus Gründen rechtlicher Vorsorge ist nochmals dringend zu empfehlen, sämtliche Sozialdaten jeweils vollständig mitzuteilen.

 

Rz. 90

Nach der Rechtsprechung des BAG muss der Arbeitgeber bei wiederholtem Zuspätkommen nicht die Betriebsstörungen im Einzelnen mitteilen, da derartige Verspätungsfolgen regelmäßig bekannt seien.[121] Auch bei besonders schwerwiegendem Fehlverhalten soll es nicht erforderlich sein, die Störung des Betriebsablaufs gesondert darzulegen. Insoweit ist aus anwaltlicher Sicht wiederum Vorsicht angeraten. Nach Möglichkeit sollten auch diese Informationen so vollständig wie irgend möglich und nach der tatsächlichen Prognose im Zeitpunkt des Fassens des Kündigungsentschlusses mitgeteilt werden. Die Unkalkulierbarkeit insbesondere der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zu § 102 BetrVG gebietet im Zusammenhang mit § 102 BetrVG besondere anwaltliche Vorsicht und Sorgfalt. Zu beachten ist auch, dass die bloße Darstellung eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers ohne Bekanntgabe der Kündigungsabsicht nicht ausreichend ist, es sei denn, dem Betriebsrat ist positiv oder durch eindeutige Umstände die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers bekannt. Kündigt der Arbeitnehmer das Entstehen einer Fehlzeit an und hört der Arbeitgeber den Betriebsrat dazu an, dann ist § 102 BetrVG verletzt, wenn der Arbeitgeber dann ohne eine neuerliche Anhörung nach Eintritt der tatsächlichen Fehlzeit kündigt.[122] In diesem Zusammenhang ist deutlich zwischen einer Tatkündigung und einer Verdachtskündigung auch im Rahmen des § 102 BetrVG zu unterscheiden (zu den Einzelheiten vgl. un...

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