Rz. 30

Gerade beim Geschiedenen-Testament sollte man mit der Umsetzung des Erblasserwillens nicht zu kurz greifen. Wenn die Kinder des Erblassers untereinander zu Vermächtnisnehmern eingesetzt werden, kann es trotz der Anordnung des Herausgabevermächtnisses doch noch zu dem nicht gewollten Abwandern des Nachlasses an den geschiedenen Ehegatten kommen. Dies ist dann der Fall, wenn der Vermächtnisnehmer nach Erfüllung des Herausgabevermächtnisses seinerseits ohne Hinterlassung eines Testaments kinderlos verstirbt und für diesen "zweiten Todesfall" kein neuerliches Herausgabevermächtnis angeordnet ist. Dagegen kann mit einer relativ kurzen Formulierung vorgebeugt werden:

 

Formulierungsbeispiel: Doppelt gestuftes Herausgabevermächtnis

Wenn einer meiner Abkömmlinge, der mit meinem geschiedenen Ehegatten in gerade Linie verwandt ist oder wäre, Vermächtnisnehmer werden sollte, so unterliegt das Vermächtnis bei ihm als "weiteres Nachvermächtnis" wieder den oben genannten Anordnungen.[36]

 

Rz. 31

Diese Gefahr besteht übrigens auch bei der Vor- und Nacherbschaft und kann dort durch eine mehrfach gestufte ("weitere") Nacherbfolge vermieden werden,[37] ist dort aber "konstruktiv" wesentlich aufwändiger und führt zu noch stärkeren zeitlichen Bindungen, als die Nacherbschaft ohnehin schon mit sich bringt, und potenziert damit deren Probleme noch mehr.

 

Rz. 32

 

Bewertung

Pflichtteilsrecht: Der Vorrang des Herausgabevermächtnisses gegenüber Pflichtteilsansprüchen erscheint zumindest dann nicht gesichert, wenn dieses erst mit dem Tod des Beschwerten anfällt.

Anderes: Im Übrigen ermöglicht es dem mit dem Vermächtnis Beschwerten bei entsprechender Ausgestaltung eine "flexible Umverteilung" des Nachlasses und damit Reaktionsmöglichkeiten auf künftige Veränderungen. Auch belastet es ihn nicht so stark wie die Nacherbschaft. Aus der Sicht der Vermächtnisnehmer geht damit allerdings ein Verlust an Sicherheit einher. Zudem besteht eine geringe gesetzliche Regelungsdichte, so dass die Klauseln sehr sorgfältig zu formulieren sind und sehr lang werden.

[36] Nach Reimann/Bengel/J. Mayer, Testament und Erbvertrag, Formulare Rn 33.
[37] Zutreffend Kornexl, Nachlassplanung bei Problemkindern, Rn 512 ff.

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