Rz. 40

Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge können einen hohen Unsicherheits- und Störfaktor bei der Nachlassplanung von Ehegatten darstellen, wenn sich die Ehegatten zunächst gegenseitig zu alleinigen Erben berufen wollen, insbesondere im Fall der sog. Einheitslösung des Berliner Testaments (§ 2269 BGB). So kann der längerlebende Ehegatte wirtschaftlich mit einer erheblichen Auszahlungsverpflichtung belastet sein, wenn sich pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge nicht bis zum Schlusserbfall begnügen. Des Weiteren führt das Pflichtteilsverlangen durch einzelne Abkömmlinge bereits nach Eintritt des ersten Erbfalls zu einer ganz anderen Nachlassbeteiligung, als die Ehegatten sich das vorgestellt hatten. Denn der entsprechende Abkömmling erhält zunächst bereits seinen Pflichtteil aus dem Nachlass des erstversterbenden Elternteils, verliert dadurch kraft Gesetzes aber nicht seine Schlusserbenstellung und bekommt damit im zweiten Erbfall immer noch die ihm zugedachte Erbquote, die er allerdings entgegen der Erwartung der Eltern um den vorab geltend gemachten Pflichtteil und zu Lasten seiner "loyalen Geschwister" u.U. beträchtlich erhöht hat.[46] Durch eine Testamentsgestaltung mit sog. Pflichtteilsklauseln versucht man, die unerwünschte Pflichtteilsforderung im ersten Erbfall zu verhindern, indem die Pflichtteilsgeltendmachung wirtschaftlich möglichst uninteressant gemacht werden soll.

 

Rz. 41

Pflichtteilsklauseln bezwecken daher:[47]

die Verringerung der Liquiditätsbelastung des längerlebenden Ehegatten vor Pflichtteilsansprüchen und den damit auch verbundenen persönlichen Belastungen anlässlich der Pflichtteilsgeltendmachung;
die Vermeidung einer ungerechtfertigten Bevorzugung des Kindes, das vorzeitig seinen Pflichtteil verlangt;
die Belohnung der "loyalen" Kinder, die den letzten Willen der Eltern respektieren, durch Sicherung der als angemessen betrachteten Nachlassbeteiligung.
[46] Besonders bei einseitigen Kindern kann das bereits nach dem ersten Todesfall erfolgte Pflichtteilsverlangen die bei Eintritt des Schlusserbfalls geplante gleichmäßige Nachlassbeteiligung aller Kinder durcheinanderbringen, vgl. hierzu OLG Stuttgart DNotZ 1979, 104 und instruktiv v. Olshausen, DNotZ 1979, 707.
[47] Dazu etwa Lübbert, NJW 1988, 2706, 2708 f.; J. Mayer, MittBayNot 1996, 80; Horn, in: Scherer, MAH Erbrecht, § 21 Rn 15 ff.; Seubert, Die Jastrowsche Klausel, 1999, S. 72 ff.

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