Rz. 45

Für die in den §§ 27 bis 35, 35 a und 41 SGB VIII[156] normierten Hilfen sieht § 36 SGB VIII Regelungen zum Ablauf der diesen Hilfeleistungen zugrunde liegenden und auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Hilfeplanung sowie der an diesem Prozess zu beteiligenden Personen und Ins­­titutionen vor.[157]

Abgeschlossen wird das Hilfeplanverfahren durch die Entscheidung, ob und wie eine bestimmte Hilfeleistung erbracht wird. Gegen den insoweit ergehenden Bewilligungsbescheid ist der Widerspruch und für den Fall der Nichtabhilfe das verwaltungsgerichtliche Verfahren eröffnet. Ebenso unterliegt eine etwaige Weigerung des Jugendamts zur Durchführung einer Hilfeplanung der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung. Diese kann im Wege der allgemeinen Leistungsklage (§ 40 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 S. 2 VwGO) durchgesetzt werden.

[156] Siehe dazu Lüders, 25 Jahre § 41 SGB VIII und die jungen Erwachsenen – eine zwiespältige Bilanz, ZKJ 2015, 364.
[157] Zur Beratung und Entscheidung im Hilfeplanverfahren und dem "Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte" bei der Entscheidung über die Hilfe siehe Langenohl, JAmt 2015, 418.

1. Beratung und Mitwirkung der Leistungsberechtigten

 

Rz. 46

Hilfeleistungen nach den §§ 27 ff. SGB VIII setzen eine grundsätzliche Entscheidung des Berechtigten voraus, ob er diese Hilfen überhaupt in Anspruch nehmen möchte, da das – jederzeit widerrufliche[158] – Einverständnis des Leistungsberechtigten essentielle Voraussetzung jeder Hilfeleistung ist. Eine autonome Entscheidung, als Basis der Beteiligungsfähigkeit,[159] erfordert eine umfassende Information, die im Rahmen der nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB VIII statuierten Beratungs- und Hinweispflicht erlangt werden soll.[160] Danach ist das Jugendamt gehalten, sowohl dem Personensorgeberechtigten als auch dem Minderjährigen umfassend darzulegen, welche Hilfearten grundsätzlich in Betracht kommen und wie diese im Einzelnen erbracht werden. Neben der Darstellung zum Ablauf des Hilfeplanverfahrens selbst, ist den Personensorgeberechtigten zu erläutern, welche Auswirkungen die jeweiligen Hilfen – mit Blick auf die §§ 1688, 1630 Abs. 3 BGB – auf die Personensorge und die Entwicklung des Minderjährigen haben.[161] Ihnen sind zudem die möglichen Folgen einer Vollzeitpflege, insbesondere das Risiko des Erlasses einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB und die grundlegenden allgemeinen Aspekte des Trennungsrisikos[162] sowie den Möglichkeiten der Vermeidung dieser Probleme zu erläutern. Darzulegen ist auch, ob gegebenenfalls ein freier Träger ebenfalls Hilfeleistungen anbietet. Diese Hinweispflicht besteht aber nur, wenn im Bereich der konkreten Hilfe der freie Träger besser geeignet ist.[163] Gegebenenfalls bedarf es auch des Hinweises auf ausländerrechtliche Bezüge (z.B. § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG).[164] Sind die Beteiligten anwaltlich vertreten, so obliegt dem Jugendamt die Entscheidung darüber, ob dem bevollmächtigten Anwalt die Teilnahme an Hilfeplangesprächen zu gestatten ist.[165]

 

Rz. 47

Die Einbeziehung nicht (mehr) sorgeberechtigter Eltern(teile), insbesondere nach einem Sorgerechtsentzug, in die zu führenden Gespräche, ist in § 36 SGB VIII nicht geregelt. Aus diesseitiger Sicht ist allerdings der in der Literatur[166] vertretenen Auffassung zuzustimmen, dass dies in bestimmten Fällen geboten sein kann, etwa zur Stützung der Eltern-Kind-Beziehung oder um bei den Eltern bestehende Ängste – etwa zum Wohlergehen des Kindes – abzubauen.

 

Rz. 48

Ob es zur Inanspruchnahme der Hilfeleistung eines ausdrücklichen Antrages bedarf, ist streitig. Die herrschende Meinung bejaht dies.[167] Unabhängig von einer Antragstellung ist das Jugendamt in jedem Fall bei Kenntniserlangung von Umständen, die Hilfen zur Erziehung notwendig machen, nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 SGB X zur Verfahrenseinleitung verpflichtet, einschließlich der Sachverhaltsermittlung gemäß § 20 Abs. 1 SGB X. Dies folgt, spätestens im Grenzbereich der Kindeswohlgefährdung, aus dem staatlichen Wächteramt des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen zwingend indizierte Hilfeleistungen von den Eltern definitiv abgelehnt werden. In diesem Fall kann das Familiengericht die verweigerte Einwilligung ersetzen oder aber auch, bei in Rede stehenden langfristigen Hilfeleistungen, die Personensorge teilweise entziehen. Ist der Grenzbereich der Kindeswohlgefährdung noch nicht erreicht, so muss durch die zuständige Fachkraft entschieden werden, ob damit der Hilfeprozess beendet werden muss[168] oder aber durch weitere Beratung noch eine Akzeptanz durch die Eltern zu erreichen ist. Kann lediglich zwischen den personensorgeberechtigten Elternteilen kein Einvernehmen darüber erzielt werden, ob Hilfeleistungen in Anspruch zu nehmen sind, so bedarf es einer familiengerichtlichen Entscheidung nach § 1628 BGB (vgl. hierzu § 1 Rdn 116 ff.).

 

Rz. 49

Personensorgeberechtigt im Sinn des § 36 SGB VIII können aber auch der Vormund oder Pfleger eines Minderjährigen sein, wenn der ihnen übertragene Aufgabenkreis das Recht der Beantragung von Hilfe zur Erziehung vorsieht. Wu...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge