Rz. 127

Um den mutmaßlichen oder tatsächlichen Willen des Sorge- oder Erziehungsberechtigten ermitteln zu können – so er denn letztlich in Einklang mit dem Kindeswohl zu bringen ist – bedarf es einer entsprechenden Einbindung seinerseits in die weiteren Maßnahmen während der Inobhutnahme. Zu diesem Zweck sieht das Gesetz eine unverzügliche Information des Personen- oder Erziehungsberechtigten über die Inobhutnahme vor bzw. muss bei Nichterreichbarkeit eine Mitteilung, z.B. durch die Polizei, gewährleistet sein, um über den gegenwärtigen Aufenthalt des Kindes zu informieren. Ebenso kann es in bestimmten Fällen aber auch ausreichend sein, dass lediglich das örtlich zuständige Jugendamt als Kontaktadresse genannt wird, etwa in Missbrauchs- oder Misshandlungsfällen. In diesem Kontext ist nachfolgend auch das Familiengericht über die besondere Schutzmaßnahme zu informieren,[430] wobei es zusätzlich auch eine Selbstverständlichkeit darstellen dürfte, dass das Jugendamt die Gründe für eine nur eingeschränkte Information genau dokumentiert. Die Benachrichtigungspflicht ist dabei nicht an den Willen des Kindes gebunden.

 

Rz. 128

Soweit im Einzelfall möglich, soll mit den Eltern das Gefährdungsrisiko abgeschätzt werden, gerichtet auf die Erarbeitung eines Lösungsansatzes.[431] Uneingeschränkt wünschenswert ist eine nachvollziehbare Dokumentation der Gefährdungseinschätzung.[432] Sie dient dem berechtigten Schutz des handelnden Jugendamtsmitarbeiters ebenso wie einer etwaig notwendig werdenden Beweisführung seitens der Eltern bei einer möglicherweise unberechtigten Inobhutnahme. Nur durch eine sorgfältige Dokumentation, aufgrund welcher konkreten objektiven Anhaltspunkte die Inobhutnahme veranlasst und letztlich – im Fall des Widerspruchs – auch aufrecht erhalten wurde, kann beiden Seiten angemessen Rechnung getragen und eine Vertrauensbasis ­geschaffen werden. Hierbei sollten die Jugendämter auch den Wunsch eines Verfahrensbevollmächtigten auf Offenlegung dieser Dokumentation nicht als Unterstellung einer unsachgemäßen Sachverhaltsbearbeitung missverstehen. Sie sollten sich vergegenwärtigen, dass nur auf dieser Basis seitens des Anwalts dem Mandanten in einem vertrauensvollen Gespräch die fachgerechte Vorgehensweise des Jugendamtes vermittelt werden kann. Dieses Gespräch kann dann auch Grundlage für eine Zustimmung zur Inobhutnahme sowie Basis für das unverzüglich einzuleitende Hilfeplanverfahren (§ 42 Abs. 3 S. 5 SGB VIII) sein (vgl. auch § 1 Rdn 222).[433] Der Hilfeplan selbst hat keinen Verwaltungsaktcharakter.[434]

[430] Wiesner, HK SGB VIII, § 42 Rn 3.8.
[431] Kohaupt, Hurry slowly! Oder was man nicht kann erfliegen, muss man erhinken; Konflikthafter Kontakt zu Eltern bei Kindeswohlgefährdung, JAmt 2005, 218; vgl. hierzu auch die zutreffenden Ausführungen von Trenczek in Münder/Wiesner/Meysen, Handbuch KJHR, Kap.3.9 Rn 24 zu gebotenen Verhaltensstrukturen im Gespräch zwischen Eltern und Jugendamt.
[432] Wiesner, HK SGB VIII, § 42 Rn 39; Trenczek in Münder/Wiesner/Meysen, Handbuch KJHR, Kap. 3.9 Rn 25.
[433] Vgl. hierzu Rötzer/Schmid/Sgolik/Waitzhofer, ZKJ 2012, 212.
[434] OVG Hessen JAmt 2008, 327.

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