Rz. 144

Für die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen die Ablehnung eines Erbscheinsantrags ist sowohl die materielle, § 59 Abs. 1 FamFG, als auch die formelle Beschwer, § 59 Abs. 2 FamFG, Voraussetzung.

aa) Materielle Beschwer, § 59 Abs. 1 FamFG

 

Rz. 145

Eine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG liegt vor, wenn ein privatrechtliches oder öffentlich-rechtliches subjektives Recht des Beschwerdeführers durch die angefochtenen Entscheidung berührt wird. Als verletzte Rechtsposition kommt dabei in Nachlasssachen vor allem das Erbrecht in Betracht. Dagegen führt die bloße Verletzung von Verfahrensrechten nach h.M.[258] nicht zur Beschwerdeberechtigung. Ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung bejaht eine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG bei Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften oder des "allgemeinen Rechts eines Beteiligten auf gesetz- und sachgemäße Behandlung seiner Angelegenheiten".[259] Beeinträchtigt ist ein Recht, wenn die angefochtene Entscheidung unmittelbar nachteilig in ein Recht des Beschwerdeführers eingreift.[260]

Die Rechtsbeeinträchtigung muss zumindest möglich sein. Ob sie tatsächlich vorliegt, prüft das Gericht dann erst im Rahmen der Begründetheit der Beschwerde. Dies spielt vor allem bei den sogenannten doppelrelevanten Tatsachen eine Rolle. Die Behauptung, Erbe zu sein ist sowohl für die Frage der Beschwerdeberechtigung als auch die Begründetheit der Beschwerde von Bedeutung. Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist es erforderlich, dass die Rechtsbeeinträchtigung schlüssig behauptet wird oder jedenfalls ernsthaft möglich ist.[261]

Die Rechtsbeeinträchtigung könnte wie folgt behauptet werden:

Muster 12.13: Darstellung der Rechtsbeeinträchtigung in der Beschwerdeschrift

 

Muster 12.13: Darstellung der Rechtsbeeinträchtigung in der Beschwerdeschrift

Der Erbschein hätte dem XY nicht erteilt werden dürfen, da mein Mandant aufgrund gesetzlicher Erbfolge Alleinerbe des Erblassers geworden ist. Das Testament vom _________________________ ist unwirksam, weil _________________________.

Wer geltend macht, Nacherbe zu sein, ist gegen die Ablehnung der Einziehung eines ohne Nacherbenvermerk erteilten Erbscheins ebenfalls beschwerdeberechtigt. Gegen die Anordnung der Einziehung eines solchen Erbscheins ist derjenige beschwerdeberechtigt, auf dessen Antrag der einzuziehende Erbschein erteilt worden war, nach seinem Tod sein Erbe.[262] Dagegen sind Vermächtnisnehmer im Erbscheinsverfahren, von den Fällen der §§ 792, 896 ZPO abgesehen, auch dann nicht beschwerdeberechtigt, wenn sie zwar zu den gesetzlichen Erben gehören würden, aber nach ihrem eigenen Vorbringen durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen sind.[263]

[258] BGH DNotZ 96, 890; FamRZ 1984, 670; BayObLG FamRZ 97, 1299; Keidel/Meyer-Holz, § 59 Rn 7 m.w.N.
[259] OLG Düsseldorf BtPrax 98, 80; OLG Koblenz FamRZ 1985, 1266.
[260] Keidel/Meyer-Holz, § 59 Rn 9.
[261] BayObLG RPfl 1988, 531.
[262] BayObLG FamRZ 1996, 1577.

bb) Formelle Beschwer, § 59 Abs. 2 FamFG

 

Rz. 146

In Antragsverfahren, wie z.B. bei der Erteilung eines Erbscheins, ist neben der materiellen Rechtsbeeinträchtigung auch noch eine formelle Beschwer gemäß § 59 Abs. 2 FamFG erforderlich. Beschwerdeberechtigt ist demnach nur derjenige, dessen Antrag zurückgewiesen worden ist. Diese Einschränkung des Beschwerderechts erfährt nach der herrschende Rspr. eine Ausnahme, wenn der Beschwerdeführer zwar keinen Antrag gestellt hatte, er aber die Möglichkeit gehabt hätte, einen gleichlautenden Antrag zu stellen,[264] wie z.B. ein Miterbe[265] oder der Erbe bei einem Antrag des Testamentsvollstreckers.

[264] BGHZ 30, 220; KG OLGZ 1990, 407; Staudinger/Herzog, § 2353 Rn 539; Habscheid, § 55 V 1; Brehm, Rn 678.

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