Rz. 63

Muster 12.1: Widerspruch gegen Verwertung einer Zeugenaussage nach Wahllichtbildvorlage

 

Muster 12.1: Widerspruch gegen Verwertung einer Zeugenaussage nach Wahllichtbildvorlage

Es wird ausdrücklich

Widerspruch gegen die Verwertung der Zeugenaussage der Frau K.

erhoben, soweit es sich um die Wiedervorlage, ein etwaiges "Wiedererkennen" in der Hauptverhandlung handelt.

Dieser Widerspruch bezieht sich auch auf alle im Zusammenhang stehenden Zeugenaussagen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Wahllichtbildvorlage neben den ihr bereits innewohnenden Fehlern und der suggestiven Wirkung derselben vor allem daran krankt, dass die Vorgaben des BGH nicht eingehalten worden sind. So ist seit der Leitsatzentscheidung 1 StR 524/11 vom 9.11.2011 vorgesehen, dass bei einer Wahllichtbildvorlage einem Zeugen Lichtbilder von wenigstens acht Personen vorgelegt werden, die allerdings sequentiell vorgelegt werden müssen, nicht jedoch ein "Ausschlussverfahren"- wie hier zu beobachten – dem Zeugen ermöglichen.

Bereits Nr. 18 RiStBV schreibt vor, dass wenigstens acht Personen auszuwählen sind und diese nicht gleichzeitig, sondern nacheinander (sequentiell) vorzulegen bzw. (bei Einsatz von Videotechnik) vorzuspielen sind, so wie bei einer Gegenüberstellung "eine Reihe" von Vergleichspersonen gegenübergestellt werden.

Festzuhalten ist Folgendes:

1. In der Zeugenaussage der Zeugin K. bei Anzeigeerstattung beschreibt diese einen Fahrzeugführer, der als "40–50 Jahre, Kopf entweder kahl oder sehr kurz geschnitten" beschrieben wird. Eine weitere oder genauere Beschreibung erfolgte nicht. Dies umfasst die Geburtsjahrgänge 1973–1963; der Angeklagte ist Jahrgang 1961, mithin gut 3–13 Jahre älter.
2. Das Foto des Angeklagten ist in der Aufteilung ersichtlich anders als die anderen: Denn zum einen ist es deutlich schärfer, die Haartracht ist abgeschnitten, es ist zudem deutlich, dass die Gesichtsfarbe bläulicher ausfällt als die der übrigen Personen. Es ist zum anderen von der Fotoqualität und dem Aufnahmewinkel am ehesten anzunehmen, dass es sich bei den Vergleichspersonen um Personen aus ED-Behandlungen – im Gegensatz zum unbestraften und unvorbelasteten Angeklagten – handelt.
3. Dem geschuldet ist dann offenkundig auch die Aussage der Zeugin: "Ich wurde bei der Wahllichtbildvorlage aufgefordert, fünf Personen auszuschließen (sic!) und dann eine Rangfolge von drei Personen vorzunehmen, da ich keine Person 100 %ig wiedererkannt habe." Aus dieser Beschreibung wird deutlich, dass die Zeugin bei der Wahllichtbildvorlage nach dem Ausschlussprinzip vorgegangen ist, was jedoch keinen Beweiswert mehr erfahren kann, da die Vorlage schlechthin suggestiv und also unverwertbar ist.
4. So ist zudem aus der Bezeichnung der Fotos zu ersehen, dass lediglich die Nr. 4 eine Endung aus dem Jahre "13" mit den Zusatz "W" hat, wohingegen die anderen Personen diesen Zusatz nicht führen; ebenso ist ersichtlich, dass nur die Person unter Nr. 4 hinter der Kennung "BR" einen Buchstaben (W) führt; dies ist bei keiner der weiteren betroffenen Personen der Fall.
5. Die an der Falze vorzunehmende Trennung hat bei der Wahllichtbildvorlage ebenfalls nicht stattgefunden: Aus den jeweiligen Zuordnungen kann ein Zeuge aber Rückschlüsse auf die Aktualität (der Jahrgang der Aufnahme ist dabei durch die Endziffer nachzuvollziehen) der jeweiligen Fotos ziehen. Auch dies ist für eine unvoreingenommene Vorlage aber eben nicht vorgesehen und daher entsprechend abzuknicken. Da dies nicht erfolgt ist, handelt es sich um einen weiteren, zur Unverwertbarkeit der Bilder führenden Fehler durch den die Vorlage durchführenden Polizeibeamten.
6. Ein etwaiges Wiedererkennen in einer durchzuführenden Hauptverhandlung ist ebenfalls unverwertbar, da es sich lediglich um ein Wiedererkennen der Wahllichtbildvorlage handelt. Zur Suggestibilität eines Wiedererkennens eines Anklagten muss sicherlich nicht ausführlich Stellung genommen werden.

Hieraus folgt, dass ein Tatnachweis nicht geführt werden kann, dass die Beschuldigte am Unfalltag das Fahrzeug geführt hat. Weitere Beweismittel für die Täterschaft der Beschuldigten liegen nicht vor. Aus der Haltereigenschaft kann kein Tatnachweis gezogen werden.

Bezüglich der weiteren Ausführungen der Zeugin ist noch zu bemerken, dass nach den Schilderungen der Zeugin schon das Geschehen denklogisch schwer nachvollziehbar ist. Die in der Akte befindlichen Beschädigungshöhen differieren – zumindest kann der behauptete gesamte Schaden schlechterdings nicht allein vom hier in Rede stehenden Fahrzeug des Angeklagten stammen. Dennoch hat die Anklagte ausgeführt, dass das Fahrzeug vorher nicht beschädigt war, weil es sich um einen Leasingwagen der Firma handelte. Auch muss darauf verwiesen werden, dass das bislang aus der Akte ersichtliche Fahrverhalten ein Verschulden – wenn überhaupt ein Kontakt zwischen den Fahrzeugen stattgefunden haben sollte – auf Seiten der Zeugin belegt: Zivilrechtlich stehen ihr kaum Ansprüche zu, da ihr Fahrmanöver nach ihrer Schilderung...

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