1. Begründetheitsvoraussetzung

 

Rz. 210

Eine Erbteilungsklage, die den gesamten Nachlass umfassen soll, hat nur Erfolgsaussicht, wenn der Nachlass teilungsreif ist. Zulässigkeitsvoraussetzung für eine solche Klage ist aber nicht, dass das Vermittlungsverfahren nach §§ 363 ff. FamFG vor einem Notar durchgeführt worden wäre.

Zur Klärung von Vorfragen, die die Erbteilung vorbereiten soll, ist die Feststellungsklage zulässig, bspw. zur Frage, welche Gegenstände zum Nachlass gehören, oder ob einzelne lebzeitige Zuwendungen des Erblassers in der Erbteilung auszugleichen sind.

 

Rz. 211

Ist ein Nachlass nicht teilungsreif, so ist die Erbteilungsklage unbegründet.[237]

Streiten die Miterben lediglich über einzelne Positionen des Nachlasses, so ist die Feststellungsklage als einfacherer und kostengünstigerer Weg gegenüber der Erbteilungsklage zulässig.[238] Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Erbteilungsklage wird hier eine Ausnahme von der grundsätzlichen Subsidiarität der Feststellungsklage gemacht.[239] Zur Klärung einzelner streitiger Positionen kann ein Miterbe gegen die anderen eine Feststellungsklage erheben.

[237] BGH FamRZ 1984, 688; OLG Koblenz, Urt. v. 5.7.2005 – 11 UF 663/04, FamRZ 2006, 40 m. Anm. Bergschneider, FamRZ 2006, 43; OLG Karlsruhe NJW 1974, 956; LG Erfurt ZEV 1998, 391.
[238] BGH NJW-RR 1990, 1220; OLG Düsseldorf ZEV 1996, 395.
[239] BGH NJW-RR 1990, 1220.

2. Was bedeutet Teilungsreife?

 

Rz. 212

Die Aufteilung des Nachlasses unter die Miterben beinhaltet im Grundsatz zwei materiellrechtliche Erfordernisse und ein prozessrechtliches:

Die Nachlassverbindlichkeiten müssen erfüllt sein (§ 2046 BGB)[240] und
der dann noch vorhandene Rest des Nachlasses muss entsprechend den Erbquoten in gleichartige Teile ohne Wertverlust aufgeteilt werden können (§§ 2042 Abs. 2, 752 BGB).
Bestimmtheit des Klageantrags gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit Bestimmtheit des Urteilstenors, der die eingeklagten Willenserklärungen mit Rechtskraft ersetzt, § 894 ZPO.
[240] Für die parallele Regelung bei der Gütergemeinschaft in § 1475 Abs. 1 BGB: OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.12.2010 – 11 UF 1/10, FuR 2011, 179.

3. Die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten

a) Die vom Gesetz festgelegte Reihenfolge

 

Rz. 213

Dass vor der Erbteilung die Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen sind, schreibt § 2046 Abs. 1 S. 1 BGB insofern vor, als er eine Reihenfolge vorsieht:

(1) Zuerst werden die Nachlassverbindlichkeiten erfüllt (§ 2046 BGB) und
(2) danach wird geteilt, was übrig bleibt (§ 2047 BGB).

Wer diese Reihenfolge nicht einhält, kann nach der Erbteilung für noch offene Nachlassverbindlichkeiten keine Haftungsbeschränkung durch Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB) mehr erlangen, vgl. § 2062 Hs. 2 BGB, wonach ein Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung nach Vornahme der Erbteilung nicht mehr gestellt werden kann.[241]

 

Rz. 214

Die Variante des § 2046 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach für nicht fällige und streitige Verbindlichkeiten Rückstellungen zu machen sind, greift erst ein, wenn ein anderer Weg der Aufklärung von Nachlassverbindlichkeiten nicht besteht.

 

Hinweis

Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören auch Pflichtteils- und Vermächtnisansprüche, § 1967 Abs. 2 BGB.

Aber auch aus § 2045 BGB ergibt sich die Reihenfolge der vorrangig zu erfüllenden Nachlassverbindlichkeiten: Dem Erbteilungsanspruch kann die Einrede des nicht durchgeführten Gläubigeraufgebots entgegen gehalten werden.

Bei Bedarf ist bei Beteiligung eines selbst pflichtteilsberechtigten Miterben das in § 2319 BGB normierte Kürzungsrecht im Hinblick auf den Pflichtteil von nicht erbenden Pflichtteilsberechtigten zu beachten.

 

Rz. 215

Damit sollen die Voraussetzungen für die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten und damit letztlich für die Erbteilung geschaffen werden. Denn die Erben sind in einer misslichen Lage: Woher sollen sie die Nachlassverbindlichkeiten kennen? Deshalb geht das Gesetz von der Prämisse aus, die Erben würden das Aufgebot der Nachlassgläubiger betreiben (§§ 1970 ff. BGB), um alle Nachlassverbindlichkeiten in Erfahrung zu bringen und sie zu erfüllen. Außerdem steht hinter dieser Regelung die Verschärfung der Erbenhaftung nach der Teilung des Nachlasses gem. §§ 2058, 2059, 2062 Hs. 2 BGB. Und folgerichtig gibt das Gesetz jedem Miterben eine Einrede gegen den Erbteilungsanspruch, solange das Gläubigeraufgebot nicht durchgeführt ist.

 

Rz. 216

Die Reihenfolge der Vorgehensweise der Miterben ist für diese klar vorgegeben:

(1) Durchführung des Gläubigeraufgebots (§ 2045 BGB)
(2) Erfüllung der jetzt bekannten Nachlassverbindlichkeiten (§ 2046 BGB) – evtl. Zurückbehaltung von Nachlassmitteln für nicht fällige und streitige Verbindlichkeiten[242]
(3) Aufteilung des verbliebenen Rests unter den Miterben (§ 2047 BGB).
[241] Umstrittene Ausnahmen von diesem Grundsatz bei MüKo/Ann, § 2062 Rn 9–11.
[242] Praktische Bedeutung gewinnt das Problem der Zurückbehaltung von Nachlassmitteln bei einer zu erwartenden steuerlichen Nachveranlagung des Erblassers. Die zurückbehaltenen Mittel bleiben gemeinschaftlich auch nach der Teilung der übrigen Nachlassgegenstände. Insofern besteht unter diesem Aspekt ausnahmsweise kraft Gesetzes nur Ansp...

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