I. Gesamtrechtsnachfolge

 

Rz. 1

Die Erben werden Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers, § 1922 BGB (Universalsukzession). Mit Eintritt des medizinischen Todes des Erblassers werden die Erben Inhaber aller vermögensrechtlichen Positionen, die der Erblasser innehatte, gleichgültig, ob die Erben oder einzelne von ihnen Kenntnis vom Tod des Erblassers oder gar vom Berufungsgrund haben.

Kraft ausdrücklicher Regelung in § 857 BGB geht auch der Besitz als die tatsächliche Sachherrschaft auf den Erben über. Weil er eine rein faktische Position darstellt, wäre er vom universalen Rechtsübergang des § 1922 BGB nicht erfasst.[1] Die Folge wäre, dass diejenigen Gegenstände, die der Erblasser in Besitz hatte, besitzlos würden und deshalb nicht vor verbotener Eigenmacht geschützt wären.

Mehrere Erben werden Mitbesitzer gem. § 866 BGB.[2]

Ist das Guthaben eines Sparkontos auf den Erben übergegangen, so steht dem Erben auch das Recht zum Besitz des Sparbuchs zu, denn das Recht am Papier folgt gem. § 952 BGB dem Recht aus dem Papier.[3]

 

Rz. 2

Nimmt einer der Miterben einen Nachlassgegenstand (bspw. ein Sparbuch) ohne Zustimmung der anderen in Besitz, so begeht er damit verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 BGB. Jeder Miterbe kann Einräumung des Mitbesitzes gem. §§ 985, 861, 2039 BGB verlangen. Dieser Anspruch auf Einräumung des Mitbesitzes kann von den anderen Erben im Wege der einstweiligen Verfügung (Leistungsverfügung) geltend gemacht werden. Dabei sind sie nicht auf den Erlass einer Sicherungsverfügung – gerichtet auf Herausgabe an einen Sequester – beschränkt, vielmehr kann durch die Leistungsverfügung in Vorwegnahme der Hauptsache Einräumung des Mitbesitzes verlangt werden.[4] Die einstweilige Verfügung ersetzt allerdings nicht den Hauptsacheprozess. Als Verfügungsgrund genügt die Glaubhaftmachung von verbotener Eigenmacht.[5] Besondere Dringlichkeit ist weder erforderlich noch glaubhaft zu machen.[6]

Zur Wiedereinräumung des Wohnungsmitbesitzes vgl. Behr, NJW 1992, 2128; Schreiber, NJW 1993, 625; AG Waldshut-Tiengen NJW-RR 1994, 712.

 

Rz. 3

Entscheidend ist auch nicht, ob die Erben die einzelnen Vermögensgegenstände kennen, deren Rechtsträger sie – gleichsam über Nacht – geworden sind.

Es bedarf insbesondere nicht einer ausdrücklichen Annahme oder des "Antritts" der Erbschaft. Unabhängig davon kann jeder Erbe nach erfolgtem Anfall die Erbschaft – mit Rückwirkung auf den Erbfall – ausschlagen.

Zur Ausschlagung siehe oben § 10 Rdn 392 ff.

 

Rz. 4

Die mehreren Erben organisiert das BGB als Gesamthandsgemeinschaft, an der jeder Miterbe mit einem bestimmten Anteil, seinem "Erbteil", beteiligt ist (§ 1922 Abs. 2 BGB). Erbengemeinschaften tendieren zur Auflösung, sie sind "geborene" Liquidationsgemeinschaften oder "Zufallsgemeinschaft".

 

Rz. 5

Bezüglich der lang umstrittenen Frage, ob die Erbengemeinschaft rechtsfähig sei, hat der BGH Klarheit geschaffen: Die Erbengemeinschaft ist nicht rechtsfähig, § 566 BGB a.F.[7]

Ein von einem Vertreter einer Erbengemeinschaft abgeschlossener Mietvertrag kann mangels Rechtsfähigkeit derselben nicht mit der Erbengemeinschaft als solcher, sondern nur mit den einzelnen Miterben zustande kommen.

Der Beklagte mietete durch schriftlichen Mietvertrag vom 3.6.1991 Gewerberäume an. Der Vertrag wurde von S.K. für die Vermieter unterzeichnet. In dem Vertragsformular ist als Vermieter "die Erbengemeinschaft Sa. vertreten durch S.K." aufgeführt.

Zitat

"...Aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft durch die Entscheidung des II. Zivilsenates (Urt. v. 29.1.2001 II ZR 331/00 NJW 2001, 1056 f.) ergibt sich für die Erbengemeinschaft keine andere Rechtsstellung. Die Rechtsfähigkeit und damit auch die Parteifähigkeit jeglicher Gesamthand, etwa in der Form einer Innengesellschaft oder der Erbengemeinschaft, ist damit nicht anerkannt worden (Armbrüster, GE 2001, 821, 823; a.A. Grunewald, a.a.O. 306 f.). Die Entscheidung des II. Zivilsenates läßt sich zudem nicht auf die Erbengemeinschaft übertragen, da sie allein den besonderen Bedürfnissen des Rechtsverkehrs im Bereich des Gesellschaftsrechtes Rechnung getragen hat. ..."[8]

 

Rz. 6

Diese Rechtsprechung hat der BGH im Beschl. v. 17.10.2006[9] bestätigt.

Auf derselben Linie liegt das BayObLG mit seiner Entscheidung vom 4.9.2003 – 2 Z BR 162/03,[10] wonach eine Auflassung eines Grundstücks "auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus den Gesellschaftern A, B, C und D" mangels Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unwirksam ist. Vielmehr hätte aufgelassen werden müssen "an A, B, C und D in Gesellschaft bürgerlichen Rechts". Diese Entscheidung ist übertragbar auf die Erbengemeinschaft, so dass ein Grundstück niemals an die Erbengemeinschaft aufgelassen werden darf, sondern bspw. an "A, B, C in Erbengemeinschaft".

 

Rz. 7

Die Erbengemeinschaft ist auch nicht parteifähig, so dass nur die einzelnen Erben – nicht die Erbengemeinschaft als solche – klagen können.[11] Die Grundsätze zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts[12] und zur Rechtsfähigkeit der Gemeinsch...

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