a) Die vom Gesetz festgelegte Reihenfolge

 

Rz. 213

Dass vor der Erbteilung die Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen sind, schreibt § 2046 Abs. 1 S. 1 BGB insofern vor, als er eine Reihenfolge vorsieht:

(1) Zuerst werden die Nachlassverbindlichkeiten erfüllt (§ 2046 BGB) und
(2) danach wird geteilt, was übrig bleibt (§ 2047 BGB).

Wer diese Reihenfolge nicht einhält, kann nach der Erbteilung für noch offene Nachlassverbindlichkeiten keine Haftungsbeschränkung durch Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB) mehr erlangen, vgl. § 2062 Hs. 2 BGB, wonach ein Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung nach Vornahme der Erbteilung nicht mehr gestellt werden kann.[241]

 

Rz. 214

Die Variante des § 2046 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach für nicht fällige und streitige Verbindlichkeiten Rückstellungen zu machen sind, greift erst ein, wenn ein anderer Weg der Aufklärung von Nachlassverbindlichkeiten nicht besteht.

 

Hinweis

Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören auch Pflichtteils- und Vermächtnisansprüche, § 1967 Abs. 2 BGB.

Aber auch aus § 2045 BGB ergibt sich die Reihenfolge der vorrangig zu erfüllenden Nachlassverbindlichkeiten: Dem Erbteilungsanspruch kann die Einrede des nicht durchgeführten Gläubigeraufgebots entgegen gehalten werden.

Bei Bedarf ist bei Beteiligung eines selbst pflichtteilsberechtigten Miterben das in § 2319 BGB normierte Kürzungsrecht im Hinblick auf den Pflichtteil von nicht erbenden Pflichtteilsberechtigten zu beachten.

 

Rz. 215

Damit sollen die Voraussetzungen für die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten und damit letztlich für die Erbteilung geschaffen werden. Denn die Erben sind in einer misslichen Lage: Woher sollen sie die Nachlassverbindlichkeiten kennen? Deshalb geht das Gesetz von der Prämisse aus, die Erben würden das Aufgebot der Nachlassgläubiger betreiben (§§ 1970 ff. BGB), um alle Nachlassverbindlichkeiten in Erfahrung zu bringen und sie zu erfüllen. Außerdem steht hinter dieser Regelung die Verschärfung der Erbenhaftung nach der Teilung des Nachlasses gem. §§ 2058, 2059, 2062 Hs. 2 BGB. Und folgerichtig gibt das Gesetz jedem Miterben eine Einrede gegen den Erbteilungsanspruch, solange das Gläubigeraufgebot nicht durchgeführt ist.

 

Rz. 216

Die Reihenfolge der Vorgehensweise der Miterben ist für diese klar vorgegeben:

(1) Durchführung des Gläubigeraufgebots (§ 2045 BGB)
(2) Erfüllung der jetzt bekannten Nachlassverbindlichkeiten (§ 2046 BGB) – evtl. Zurückbehaltung von Nachlassmitteln für nicht fällige und streitige Verbindlichkeiten[242]
(3) Aufteilung des verbliebenen Rests unter den Miterben (§ 2047 BGB).
[241] Umstrittene Ausnahmen von diesem Grundsatz bei MüKo/Ann, § 2062 Rn 9–11.
[242] Praktische Bedeutung gewinnt das Problem der Zurückbehaltung von Nachlassmitteln bei einer zu erwartenden steuerlichen Nachveranlagung des Erblassers. Die zurückbehaltenen Mittel bleiben gemeinschaftlich auch nach der Teilung der übrigen Nachlassgegenstände. Insofern besteht unter diesem Aspekt ausnahmsweise kraft Gesetzes nur Anspruch auf eine teilweise Auseinandersetzung des Nachlasses.

b) Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten als Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses

 

Rz. 217

Gleich dreimal verpflichtet das Gesetz die Erben zur Mitwirkung bei der Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten:

(1) Die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten ist grundsätzlich eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses,[243] deshalb sind alle Erben gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB zur – notfalls klageweise geltend zu machenden – Mitwirkung verpflichtet.[244]

(2) Zum zweiten hat jeder Miterbe gegenüber den anderen Miterben Anspruch auf Mitwirkung bei der Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten mit Mitteln des Nachlasses auf der Grundlage von § 2042 Abs. 1 BGB, denn die Auseinandersetzung des Nachlasses beinhaltet die vorgängige Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten, vgl. die Begriffsklärung oben Rdn 212. Allerdings hat diese Vorschrift nur Wirkung im Innenverhältnis zwischen den Miterben, nicht auch im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern.[245]

(3) In dritter Linie hat jeder Miterbe gegenüber den anderen Anspruch auf Mitwirkung bei der Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten aus dem zwischen ihnen bestehenden Gesamtschuldverhältnis; insoweit begründen §§ 2058, 426 Abs. 1 S. 1 BGB Pflichten der einzelnen Gesamtschuldner untereinander.[246]

[243] OLG Celle FamRZ 2003, 1224 m. Anm. Schindler, FamRZ 2004, 139; Soergel/Wolf, § 2038 Rn 3.
[244] Für die parallele Regelung bei der Gütergemeinschaft in § 1475 Abs. 1 BGB: OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.12.2010 – 11 UF 1/10, FuR 2011, 179.
[245] BGHZ 57, 84, 93; RGZ 95, 325, 328; KG OLGE 9, 389, 391; MüKo/Ann, § 2046 Rn 3; Soergel/Wolf, § 2046 Rn 2; Staudinger/Löhnig, § 2046 Rn 1; Palandt/Weidlich, § 2046 Rn 1.
[246] MüKo/Ann, § 2058 Rn 30; Staudinger/Marotzke, § 2058 Rn 78.

c) OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.12.2010

 

Rz. 218

Ein schlüssiger Plan zur Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft setzt voraus, dass zuvor alle Gesamtgutsverbindlichkeiten berichtigt sind (hier: analoge Anwendung auf die Erbengemeinschaft).

Zitat

"Ein schlüssiger Plan zur Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft setzt voraus, dass zuvor alle Gesamtgutsverbindlichkeiten berichtigt sind....

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