A. Allgemeines

 

Rz. 1

Der Nachlassverwalter hat den Nachlass zu verwalten und die Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass zu befriedigen, § 1985 Abs. 1 BGB. Die Schuldenberichtigung ist der primäre Zweck dieses Rechtsinstituts, die Verwaltung ist nur Mittel zum Zweck.[1]

[1] Vgl. Muscheler, Erbrecht, Rn 3595, 3596.

B. Objekt der Nachlassverwaltung

 

Rz. 2

Nach der Zwecksetzung der Nachlassverwaltung bezieht sich diese nur auf die vermögensrechtlichen Bestandteile des Nachlasses.[2] Höchstpersönliche Rechtspositionen des Erben sind ausgenommen (z.B. personengesellschafts-rechtliche Positionen;[3] postmortales Persönlichkeitsrecht).

 

Rz. 3

Fallen Beteiligungen an Personengesellschaften in den Nachlass, unterliegen dem Recht des Nachlassverwalters nur die rein vermögensrechtlichen Ansprüche wie der Anspruch auf den Gewinn und der Anspruch auf das Abfindungsguthaben, nicht hingegen solche Befugnisse, die die Rechtsstellung des Erben in seiner Eigenschaft als Gesellschafter unmittelbar berühren.[4] Nach h.M. soll der Nachlassverwalter die Gesellschaft kündigen können, wenn das sonstige Nachlassvermögen nicht zur Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten ausreicht und das Bedürfnis, den Gesellschaftsanteil des Erben zur Schuldentilgung flüssig zu machen, im Sinne eines wichtigen Grundes die Kündigung erfordere.[5]

 

Rz. 4

Weiterhin ausgenommen sind in entsprechender Anwendung des § 36 InsO diejenigen Bestandteile des Nachlasses, auf die sich nicht einmal das Insolvenzverfahren erstrecken würde (unpfändbare Gegenstände), wobei sich die Unpfändbarkeit aus der Person des Erben bestimmt, so insbesondere:[6]

persönliche Sachen, Haushaltsgegenstände: § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO;
gewöhnlicher, unverwertbarer Hausrat, § 812 ZPO, § 36 Abs. 3 InsO;[7]
Nahrungsmittel: § 811 Abs. 1 Nr. 2 ZPO;
Tiere: §§ 811 Abs. 1 Nr. 3, 811c ZPO;
Geldbetrag aus Lohn, Gehalt: § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO.

Ist dem Erblasser seinerseits eine Erbschaft angefallen, steht das Recht zur Annahme oder Ausschlagung nur dem Erben, nicht dem Nachlassverwalter zu. § 83 InsO gilt entsprechend.[8]

[2] Muscheler, Erbrecht, Rn 3601.
[4] Vgl. Staudinger/Marotzke, § 1985 Rn 20.
[5] Staudinger/Marotzke, § 1985 Rn 21.
[6] Vgl. im Einzelnen: MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn 8 ff., 60 ff.; kritisch zu Recht: Muscheler, Erbrecht, Rn 3603.
[7] Luxusgegenstände oder eine Sache mit besonderem Sammler- oder Alterswert sind nicht unpfändbar.
[8] Staudinger/Marotzke, § 1985 Rn 19.

C. Inbesitznahme des Nachlasses

 

Rz. 5

Der Nachlassverwalter hat den Nachlass in Besitz zu nehmen. Wird sein Herausgabeverlangen nicht freiwillig erfüllt,[9] muss er auf Auskunft, Rechnungslegung und Herausgabe klagen.[10] Denn der die Nachlassverwaltung anordnende Gerichtsbeschluss ist – anders als der Insolvenzeröffnungsbeschluss – mangels vollstreckbaren Inhalts kein Vollstreckungstitel i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.[11]

Nach Inbesitznahme ist der Nachlassverwalter unmittelbarer, der Erbe mittelbarer Besitzer. Der Erbe kann gegen das Herausgabeverlangen nicht einwenden, er habe ein Zurückbehaltungsrecht wegen seiner Ansprüche aus §§ 1978, 1979 BGB, vgl. § 323 InsO.[12]

[9] Muster eines Auskunftsschreibens an den Erben bei Jochum/Pohl, HB Nachlasspflegschaft, Rn 1108.
[10] Vgl. Muscheler, Erbrecht, Rn 3600.
[11] KG v. 15.9.1958 – 1 W 1482/58, NJW 1958, 2071.
[12] MüKo-BGB/Küpper, § 1985 Rn 3.

D. Grundbuch

 

Rz. 6

Um einen gutgläubigen Erwerb eines Nachlassgrundstücks zu verhindern, ist der Nachlassverwalter in entsprechender Anwendung des § 32 InsO berechtigt, die Eintragung der Anordnung der Nachlassverwaltung als Verfügungsbeschränkung in Abt. II (Lasten und Beschränkungen) des Grundbuchs eintragen zu lassen. Auch das Nachlassgericht ist berechtigt, das Grundbuchamt um die Eintragung zu ersuchen.[13]

 

Rz. 7

Nach Aufhebung der Nachlassverwaltung und Ausantwortung an die Erben kann das Nachlassgericht das Grundbuchamt um Löschung ersuchen (analog §§ 32 Abs. 2 S. 1, 33, 200 Abs. 2 S. 2 InsO). Der Löschungsantrag (§ 22 GBO) kann ferner von dem Erben und wohl analog §§ 32 Abs. 2 S. 2, 33, 200 Abs. 2 S. 2 InsO auch noch vom Nachlassverwalter gestellt werden.[14]

[13] Staudinger/Marotzke, § 1984 Rn 12 f.
[14] Staudinger/Marotzke, § 1988 Rn 19.

E. Widerruf von Vollmachten

 

Rz. 8

Der Nachlassverwalter ist berechtigt, eine vom Erblasser erteilte und über seinen Tod hinausreichende Generalvollmacht zu widerrufen.[15] Er kann von dem Bevollmächtigten die Herausgabe der Vollmachtsurkunde verlangen.

[15] KG v. 12.10.1970 – 12 U 98/70, NJW 1971, 566 f. = OLGZ 1971, 160.

F. "Führungslose" Gesellschaftsbeteiligungen

 

Rz. 9

Gehört zum Nachlass die Beteiligung an einer sowohl "führungslosen" als auch insolventen GmbH oder an einer sowohl führungslosen als auch insolventen sonstigen juristischen Person oder Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1, 3 InsO, so wird man den Nachlassverwalter als berechtigt, aber nicht verpflichtet ansehen dürfen, anstelle des Erben den in § 15 Abs. 1 S. 2 InsO vorgesehenen Insolvenzantrag zu stellen.[16]

[16] Marotzke, ErbR 2010, 115, 119 f. (Gleiches gilt für den Nachlasspfleger); zur erloschenen Personengesellschaft ...

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