a) Voraussetzungen

 

Rz. 7

Nach § 779 Abs. 2 ZPO besteht eine Besonderheit. Ist nämlich bei einer Vollstreckungshandlung die Hinzuziehung des Schuldners nötig, so hat, wenn die Erbschaft noch nicht angenommen oder wenn der Erbe unbekannt oder es ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers dem Erben einen einstweiligen besonderen Vertreter zu bestellen.[11] Dabei hat die Bestellung zu unterbleiben, wenn ein Nachlasspfleger bestellt ist oder wenn die Verwaltung des Nachlasses einem Testamentsvollstrecker zusteht.

 

Rz. 8

§ 779 Abs. 2 ZPO kommt immer dann zum Tragen, wenn der Schuldner bei der Zwangsvollstreckung hätte mitwirken müssen.

Dies ist z.B. bei folgenden Fällen gegeben:

Bekanntmachung der Pfändung durch Gerichtsvollzieher gem. § 808 Abs. 3 ZPO,
Bekanntmachung der Anschlusspfändung gem. § 826 Abs. 3 ZPO,
Zustellung des Pfändungsbeschlusses gem. § 829 Abs. 2 S. 2 ZPO,
Zustellung des Überweisungsbeschlusses gem. § 835 Abs. 3 S. 1 ZPO,
Anhörung vor anderer Verwertung gem. § 844 Abs. 3 ZPO,
Verteilungsverfahren gem. §§ 872 ff. ZPO,
Übergabe beweglicher Sachen bei Herausgabevollstreckung gem. § 835 Abs. 2 ZPO.
 

Rz. 9

Ist der Aufenthalt des bekannten Erben lediglich nicht bekannt, so liegt kein Fall des § 779 Abs. 2 ZPO vor. Hier wäre dann die Bestellung eines Abwesenheitspflegers gem. § 1911 BGB oder Hinzuziehung mit öffentlicher Zustellung gem. §§ 203 ff. ZPO zu beantragen.[12]

Alternativ zum besonderen Vertreter nach Abs. 2 kann ein Gläubiger auch einen Nachlasspfleger gem. § 1961 BGB mit der Folge bestellen, dass sich dann die Bestellung eines besonderen Vertreters erübrigt.

Der besondere Vertreter wird auf Antrag des Gläubigers bestellt, welcher ohne Anwaltszwang schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichtes bestellt werden kann.[13] Die Bestellung erfolgt durch Beschluss, der sowohl dem Gläubiger als auch dem Vertreter nach § 329 Abs. 2 ZPO mitzuteilen ist. Ein ablehnender Beschluss ist nach § 329 Abs. 3 ZPO dem Gläubiger zuzustellen. Dabei ist der Rechtspfleger gem. § 20 Nr. 17 RPflG zuständig. Mit dem tatsächlichen Eintritt des Erben, eines Nachlasspflegers oder eines Testamentsvollstreckers endet das Amt des Vertreters nicht automatisch; die Bestellung muss vielmehr durch das Vollstreckungsgericht aufgehoben werden.[14]

[11] Dazu ausführlich: BGH ZEV 2010, 51; FamRZ 2009, 2079.
[12] Zöller/Stöber, § 779 Rn 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 779 Rn 2; Stein/Jonas/Münzberg, § 779 Rn 5.
[13] Gottwald, § 779 Rn 5; Stein/Jonas/Münzberg, § 779 Rn 5.
[14] Vgl. BGH NJW 2010, 157, 158. Siehe Rdn 10.

b) Stellung des besonderen Vertreters

 

Rz. 10

Der besondere Vertreter, der durch das Vollstreckungsgericht bestellt wird, hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters.[15] Er kann dann alle im Rahmen der Zwangsvollstreckung vorzunehmende Handlungen vornehmen, die der Schuldner während der fortgesetzten Zwangsvollstreckung vornehmen könnte.[16] Allerdings gilt dies nicht für höchstpersönliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wie z.B. die Offenbarungsversicherung. Die Zulässigkeit des Vertreterhandelns ist aber nicht auf diejenige Vollstreckungshandlung beschränkt, welche Anlass für die Vertreterbestellung war. Er tritt nicht vollständig in die Rechtsstellung des Erben ein. Er darf nur bei solchen Vollstreckungshandlungen die Rechte der Erben wahrnehmen, bei denen dessen Zuziehung als Schuldner notwendig ist.[17]

Nach der Rechtsprechung des BGH endet die Bestellung des besonderen Vertreters mit Widerruf durch das Vollstreckungsgericht. Das Vollstreckungsgericht muss die Bestellung des einstweiligen besonderen Vertreters durch Beschluss aufheben, wenn ihm Umstände bekannt werden, welche die Voraussetzungen der Bestellung entfallen lassen.[18] Nur ein solcher Aufhebungsbeschluss führt zur Beendigung des Vertreteramtes.

Die anderen Auffassungen wie Beendigung bei möglichem Eintritt bzw. möglicher Hinzuziehung der Erben in das Zwangsvollstreckungsverfahren[19] oder mit dem tatsächlichen Eintritt der Erben in das Verfahren[20] sind somit abgelehnt worden. Es ist somit auf die förmliche Aufhebung der Vertreterbestellung abzustellen.

Eine Verpflichtung zum Widerruf der Bestellung besteht, wenn der Erbe, einen Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker zum Verfahren zugezogen werden kann.[21] Nach anderer Ansicht[22] erst, wenn er in das Verfahren eintritt.

 

Rz. 11

Der Gerichtsvollzieher darf die Zwangsvollstreckung erst fortsetzen, wenn der besondere Vertreter nach § 779 Abs. 2 ZPO bestellt wurde. Die Kosten der Bestellung und des Bestellten sind Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO und dementsprechend zunächst vom Gläubiger zu tragen. Gerichtsgebühren fallen allerdings nicht für die Bestellung des besonderen Vertreters an. Da der Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters keine besondere Angelegenheit ist, ist der Antrag auch mit den allgemeinen Vollstreckungsgebühren nach §§ 18 ff. RVG abgegolten.

 

Rz. 12

Muster 11.1: Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 779 Abs....

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