Rz. 101

Mit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO erhebt der Schuldner materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch selbst. Durch diese Klage wird der Vollstreckungstitel nicht beseitigt oder generell festgestellt, dass eine Vollstreckung aus dem Titel unzulässig ist; die Vollstreckungsabwehrklage ist nach h.M. als prozessuale Gestaltungsklage vielmehr darauf gerichtet, dem Vollstreckungstitel durch gerichtlichen Gestaltungsakt (nur) die Vollstreckbarkeit zu entziehen.[71]

 

Rz. 102

Neben der Vollstreckungsabwehrklage kann eine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) mit dem Ziel erhoben werden festzustellen, dass der titulierte Anspruch nicht mehr besteht (z.B. wegen Erfüllung).[72] Einer solchen Feststellungsklage fehlt nicht etwa deswegen das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Schuldner auch nach § 767 ZPO vorgehen kann.[73] Da die Vollstreckungsabwehrklage dem Titel "nur" die Vollstreckbarkeit nimmt, kann daher auch eine negative Feststellungsklage mit dem Ziel erhoben werden festzustellen, dass der titulierte Anspruch selbst nicht mehr besteht. Zu beachten ist aber, dass mit einem entsprechenden Feststellungsurteil dem Titel nicht die Vollstreckbarkeit genommen wird. Ist das Klageziel dagegen nicht darauf angelegt, die Vollstreckbarkeit des Titels zu beseitigen, so ist ausschließlich die Feststellungsklage statthaft, wenn allein die Reichweite des Titels gerichtlich geklärt werden soll.[74]

 

Rz. 103

Ob nach der Leistung des Schuldners an den Gläubiger statt der Vollstreckungsabwehrklage eine Klage auf Herausgabe des Vollstreckungstitels analog § 371 BGB[75] möglich ist, ist umstritten.[76]

 

Rz. 104

Das Konkurrenzverhältnis von Vollstreckungsabwehrklage und Berufung ist wie folgt zu lösen:[77] Grundsätzlich hat der Schuldner die Wahl zwischen der Einlegung einer Berufung oder einer Vollstreckungsabwehrklage, wenn die Einwendung nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz und vor dem Eintritt der Rechtskraft entstanden ist (arg. e. § 767 Abs. 2 ZPO). Nach Einlegung einer Berufung fehlt aber grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage, es sei denn, das Rechtsmittel wurde als unzulässig verworfen oder der Einwand, auf den die Vollstreckungsabwehrklage gestützt wird, steht im Berufungsverfahren nicht zur Prüfung. Umgekehrt ist die Berufung auch dann zulässig, wenn bereits zuvor eine Vollstreckungsabwehrklage erhoben worden ist. Das hat seinen Grund in den unterschiedlichen Zielrichtungen von Berufung und Vollstreckungsabwehrklage.[78]

 

Rz. 105

Bei der Frage nach der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit für eine Vollstreckungsabwehrklage ist zu differenzieren: Richtet sich die Vollstreckungsabwehrklage gegen eine gerichtliche Entscheidung, ist ohne Rücksicht auf den Streitwert (!) das Prozessgericht des ersten Rechtszuges (§§ 767 Abs. 1; 802 ZPO) zuständig. Bei Vollstreckungsbescheiden ist nach § 796 Abs. 3 ZPO das Gericht zuständig, das nach den allgemeinen Vorschriften örtlich (§§ 12 ff. ZPO) und sachlich (§§ 23, 71 GVG) zuständig gewesen wäre. Bei vollstreckbaren Urkunden bestimmen sich die örtliche Zuständigkeit nach § 797 Abs. 5 ZPO (allgemeiner Gerichtsstand des Schuldners) und die sachliche Zuständigkeit nach §§ 23, 71 GVG. Im Falle eines Prozessvergleichs ist § 797 Abs. 5 ZPO nach allgemeiner Meinung nicht anwendbar; zuständig ist das Gericht, bei dem der Prozess erster Instanz anhängig gewesen ist.[79]

 

Rz. 106

Statthaft ist eine Vollstreckungsabwehrklage, wenn der Schuldner mit ihr materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch selbst erhebt. Fraglich ist die Statthaftigkeit der Vollstreckungsabwehrklage bei Mängeln des Titels – insbesondere beim Einwand der Unwirksamkeit des Titels. Nach der Rechtsprechung des BGH sind dabei zwei Fallgruppen zu unterscheiden:

 

Rz. 107

Wendet sich der Schuldner gegen einen nach Form und Inhalt vollstreckungsfähigen und mit einer Klausel versehenen Vollstreckungstitel, ist die Vollstreckungsabwehrklage statthaft, auch wenn die Unzulässigkeit der Klauselerteilung nach § 732 ZPO geltend gemacht werden könnte.[80]

 

Rz. 108

Wendet sich der Schuldner gegen einen nach Form und Inhalt vollstreckungsfähigen Titel, der aber wegen Unbestimmtheit des Klagegrundes nicht der materiellen Rechtskraft fähig ist, vertritt der BGH die Auffassung, dass in einem solchen Fall die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung "analog § 767 ZPO" geltend gemacht werden kann.[81]

 

Rz. 109

Eine weitere Besonderheit ergibt sich, wenn die Unwirksamkeit eines Prozessvergleichs geltend gemacht werden soll. Auch hier sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:

 

Rz. 110

Handelt es sich um Einwendungen, die den Prozessvergleich von Anfang an unwirksam/nichtig machen (z.B. Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB [Wirkung gem. § 142 Abs. 1 BGB: ex tunc]; Unwirksamkeit nach § 779 BGB; Prozessunfähigkeit), soll nach h.M. das frühere Verfahren unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie fortgeführt werden.[82]

 

Rz. 111

Handelt es sich hingegen um Einwendungen, die ...

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