Rz. 1

Bei vermögenden Haushalten macht der Besitz von höherwertigen Kunstwerken in der Regel 20 % des Vermögens aus. Laut der aktuellen Studie des Art Basel Market Report aus dem Jahr 2018 besitzen ca. 60 % der HNWI[2] (durchschnittlich) weniger als zehn Kunstwerke. Meistens geht es in Erbfällen nicht um große Sammlungen, sondern um einzelne Kunstwerke, die auf dem Lebensweg gekauft wurden oder sich bereits seit vielen Jahren im Familienbesitz befinden. Finden sich Kunstgegenstände im Nachlass, bedeutet dies für den Testamentsvollstrecker eine hohe Verantwortung. Denn auch auf Kunstgegenstände sind erbschaftsteuerliche Regelungen anwendbar.[3] Insoweit kann die Nachfolgeplanung durch Spezialisten helfen, eine korrekte Bestandsaufnahme und Analyse der Kunstwerke zu ermöglichen, eine angemessene Bewertung zu erleichtern und einen geeigneten Handelsplatz ausfindig zu machen. Denn es geht nicht darum, den möglichst schnellsten und unkompliziertesten Weg zum Verkauf zu wählen, sondern im Interesse des Erblassers das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

 

Rz. 2

Die Zusammenarbeit mit dem Erblasser bereits zu dessen Lebzeiten bietet dem Testamentsvollstrecker viele Vorteile, denn er selbst verfügt möglicherweise nicht über Informationen zu den Werken und hat keine Kenntnis über den Verbleib der Unterlagen. Beim Erblasser hingegen wird das Interesse an einem nachhaltig gestalteten Nachlass groß sein und er wird gerne kooperieren.

 

Rz. 3

Definiert man Kunst als "Asset", sind die betriebswirtschaftlichen Parameter Rentabilität, Liquidität und Performance sowie die der Transparenz und Sicherheit näher zu definieren. Es stellt sich die Frage, welche Maßstäbe demnach für den Testamentsvollstrecker zu setzen sind.

 

Rz. 4

Ein Kunstkauf rentiert sich in der Regel nach fünf bis zehn Jahren. Dieser Zeitraum steht einem Testamentsvollstrecker im Rahmen einer Abwicklungsvollstreckung regelmäßig nicht zur Verfügung.[4] Kunstwerke, die erst vor kurzer Zeit gekauft wurden, insbesondere auf einer Auktion, sind auf dem Markt bekannt. Daher ist bei einer erneuten, zeitnahen Platzierung ein Wertverlust einzukalkulieren, so dass die Wahl des Handelsforums umso entscheidender ist.

 

Rz. 5

Natürlich ist die Liquiditätsmöglichkeit von Kunstwerken im Vergleich zu Aktien stark eingeschränkt. Es dauert in der Regel sechs bis zwölf Monate, bis ein Werk verkauft ist. Auch dies ist für die finanzielle Disposition zu bedenken.

Die Entwicklung des Kunstmarktes zeigt eine sehr positive Performance. Dennoch lässt sich dieser Begriff nur bedingt auf den Kunstmarkt anwenden, da dort Preise auch durch marktwirtschaftlich schwer greifbare Einflüsse wie Emotion und Zeitgeschmack beeinflusst werden. Der Kunstmarkt ist durch Online-Verzeichnisse mit Versteigerungsergebnissen relativ transparent. Hier gibt es unter anderem artprice oder artnet als geläufige Datenbanken, die eine gute erste Orientierung ermöglichen.

 

Praxishinweis

Auf dieser Grundlage allein kann eine abschließende Bewertung der Kunstwerke jedoch nicht vorgenommen werden, da Informationen zu Ausstellungen, Provenienz oder Literaturangaben den Wert ebenfalls beeinflussen.

Im besten Fall sind diese Kriterien bereits durch die Aufnahme von Kunstwerken in eine testamentarische Verfügung in dieser enthalten. Es sind daher folgende Maßnahmen zu empfehlen: Identifizierung und Bewertung der Werke (Inventarliste), frühzeitige Prüfung der Qualitätskriterien, Sicherstellung der Unterlagen, gemeinsame Gestaltung des Nachlasses.

 

Rz. 6

Die Inventarliste dient mit Werkangaben und einem Foto als Grundlage für eine Bewertung. Diese wird von Auktionshäusern und Kunstberatern vorgenommen. Zuerst werden die Parameter Künstler/Motiv (Titel)/Technik/Größe/Entstehungszeit von den Experten mit den erzielten Auktionszuschlägen anderer Werke des Künstlers verglichen. Des Weiteren bietet die fachkompetente Einschätzung der Malweise, der Schaffensphase oder ggf. der historischen Umstände des Motivs Anhaltspunkte zur Bewertung; sie wird ergänzt durch weitere Informationen zu Provenienz, Ausstellungen sowie Literaturhinweise mit Abbildungen.

 

Rz. 7

Für die erbschaftsteuerliche Erfassung ist die Kenntnis des Unterschieds zwischen dem moderaten gemeinen Wert und dem Kaufpreis (oder Versicherungswert) wichtig: Der gemeine Wert wird gemäß § 9 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 9 BewG). Dieser Verkaufserlös eines Kunstwerks bezeichnet den gemeinen Wert. In einer Auktion ist dies der Zuschlag abzüglich der Einlieferungskommission, die je nach Höhe des Zuschlags bis zu 25 % betragen kann.[5]

 

Praxishinweis

Es ist also für die steuerliche Wertbemessung möglich, von einem Rechnungsbetrag eines erst kürzlich erworbenen Werks einen Abschlag abzuziehen, da man bei Verkauf denselben Erlös nicht erzielen würde.

 

Rz. 8

Der Umgang mit Kunstwerken bietet in einem Erbfall vielfältige Verwendungs- und damit auch steuerrechtliche Gestaltungsmö...

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