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Rz. 1

 

Alleiniger Bearbeiter dieses Beitrags ist Rechtsanwalt und Mediator Roland Zarges.

A. Allgemeine Regelungen des Sozialversicherungsrechts

 

Rz. 2

Im Sozialversicherungsrecht gelten grundsätzlich andere Regelungen als in der zivilrechtlichen Schadensregulierung. Das schadensersatzrechtliche Haftungssystem und das Schadensersatzsystem sind eingebettet in eine Vielzahl von sozialversicherungsrechtlichen Aspekten und Regelungen. Der Geschädigte erhält nicht nur den Schadensersatz vom Schädiger, sondern hat eine Vielzahl sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche gegen verschiedene Sozialversicherungsträger.

 

Rz. 3

Allgemein wichtig im Sozialversicherungsrecht ist, dass es sich um einen Teil des öffentlichen Rechts handelt. Viele Sozialversicherungsträger haben von Amts wegen tätig zu werden, beispielsweise die gesetzliche Unfallversicherung. In anderen Fällen wie beispielsweise im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (dazu unter Rdn 10 ff.) gelten spezielle Regelungen – z.B. das Sachleistungsprinzip.

Grundsätzlich sind Anträge auf Sozialleistungen beim zuständigen Leistungsträger zu stellen (§ 16 Abs. 1 SGB I).

 

Praxistipp

Im Sozialversicherungsrecht gibt es die Besonderheit, dass Anträge bei jedem, auch unzuständigen Sozialversicherungsträger eingereicht werden können.

Gemäß § 16 Abs. 2 SGB I sind Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger (einer nicht zuständigen Gemeinde etc.) eingegangen sind, an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Es gibt auch die Besonderheit, dass die Anträge von allen Leistungsträgern, Gemeinden und Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen werden können.

 

Rz. 4

Eine weitere zentrale Vorschrift im Bereich des Sozialversicherungsrechts, insbesondere im Leistungsrecht, ist § 44 SGB X. Nach § 44 SGB X kann jederzeit eine Überprüfung eines Verwaltungsakts verlangt werden.

 

Praxistipp

Im Sozialversicherungsrecht spielen Fristen nur eine untergeordnete Rolle. Auch dann, wenn eine Widerspruchs- oder Klagefrist abgelaufen ist, ist im Bereich des Leistungsrechts jederzeit ein Antrag auf Überprüfung des Verwaltungsakts möglich. Die Überprüfung an sich führt zu einem neuen Verwaltungsakt, der dann wieder mit Widerspruch bzw. Klage angreifbar ist.

Dies gilt nur dann nicht, wenn Leistungsansprüche verjährt sind. Diese verjähren im Sozialrecht nach Ablauf von vier Jahren.

 

Rz. 5

Eine weitere wichtige Vorschrift ist § 103 SGB X. Früher war es durchaus üblich, dass ein Verletzter zwischen Arbeitsverwaltung und Deutscher Rentenversicherung hin- und hergeschickt wurde. Die Arbeitsverwaltung behauptete, der Antragsteller sei erwerbsunfähig und zwang ihn dazu, einen Rentenantrag bei der Deutschen Rentenversicherung zu stellen. Umgekehrt ging der Rentenversicherungsträger davon aus, dass der Verletzte noch arbeiten könne und verwies ihn an die Arbeitsverwaltung. Dieses Problem hat der Gesetzgeber gesehen. Er hat hier eine Erstattungspflicht des zuständigen Leistungsträgers an den unzuständigen Leistungsträger eingerichtet.

 

Praxistipp

In Fällen, in denen der Mandant von der Arbeitsverwaltung an die Deutsche Rentenversicherung und umgekehrt verwiesen wird, empfiehlt es sich, bei der Deutschen Rentenversicherung einen Antrag auf Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen. Sollte sich dann im Rahmen der Rehabilitation oder der Maßnahme herausstellen, dass der Mandant tatsächlich erwerbsunfähig ist, wird dieser Antrag von Anfang an umgedeutet in einen Rentenantrag.

 

Praxistipp

Wenn eine Eintrittspflicht eines Sozialversicherungsträgers in Betracht kommt, sollte auf jeden Fall bei einem der in Frage kommenden Sozialversicherungsträger ein Antrag gestellt werden. Die dortigen Sachbearbeiter sollten ggf. auf § 103 SGB X und auf § 16 Abs. 2 SGB I hingewiesen werden. Es ist vor allen Dingen wichtig, dass der Mandant mit den erforderlichen Geld- oder Sachmitteln vorab versorgt wird.

B. Ansprüche gegen die Arbeitsverwaltung

 

Rz. 6

In der Schadensregulierung sind immer dann, wenn längere Arbeitsunfähigkeiten zu verzeichnen sind oder aber die bis zum Unfall ausgeübte Tätigkeit überhaupt nicht mehr ausgeführt werden kann, Ansprüche gegen die Arbeitsverwaltung zu prüfen. Diese sind im SGB III geregelt.

 

Rz. 7

Praxisrelevant für den Geschädigten ist vor allen Dingen der Vorrang der Reha vor der Rente. Das bedeutet, dass immer zuerst geprüft werden muss, inwieweit eine Umschulung oder Ähnliches in Betracht kommt. Hier sind ggf. Reha-Maßnahmen oder auch Überprüfungsverfahren erforderlich.

 

Rz. 8

Im Bereich der Rehabilitation ist dann, wenn der Mandant seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann, an eine sogenannte EFL-Testung (Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit) zu denken. Hier wird in einem mehrtägigen oder mehrwöchigen Verfahren in speziellen Einrichtungen überprüft, welche Tätigkeit ein Verletzter überhaupt noch ausüben kann. Eine solche EFL-Testung empfiehlt sich immer dann, wenn tatsächlich noch ein Restleistungsvermögen vorhanden ist.

 

Praxistipp

Sollte eine EFL-Testung ergeben, dass der Man...

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