Rz. 29

Unterlässt es ein Geschädigter, einer ihm zumutbaren Arbeit nachzugehen, sind die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte anspruchskürzend auf den Schaden anzurechnen (siehe Rn 6).

 

Rz. 30

Kann ein Verletzter seiner früheren Beschäftigung infolge des Unfalles nicht mehr nachgehen, ist seine Arbeitskraft aber nicht gänzlich aufgehoben, hat er seine ihm noch verbliebene Arbeitskraft zu verwerten[44] und sich gegebenenfalls auch um einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen.[45] Dabei muss er auch erhebliche Anstrengungen vornehmen, um eine Beschäftigung (wieder) zu erlangen.[46] Er kann daher u.U. verpflichtet sein, zur Minderung des Schadens einen anderen Beruf und einen anderen Wohnort zu wählen, ein Fahrzeug anzuschaffen und zu benutzen[47] oder sich umschulen zu lassen.

 

Rz. 31

U.U. muss auch eine Teilzeitbeschäftigung aufgenommen werden.[48]

 

Rz. 32

Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung von Gesundheitszustand, Alter, Persönlichkeit, sozialer Lage, bisheriger Tätigkeit, Vorbildung und bisheriger Lebensstellung des Verletzten. Eine Rolle spielen auch seine Begabung und Anlagen, Kenntnisse und Fähigkeiten, ferner seelische und körperliche Anpassungsfähigkeiten.[49] Ferner zu bedenken sind Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche, u.U. Berufstätigkeit des Ehegatten oder die Notwendigkeit zur Versorgung minderjähriger Kinder.[50]

 

Rz. 33

Ein Verstoß gegen die Verpflichtung des Verletzten, seine noch verbliebene Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen, ist aber nur dann anzunehmen, wenn der Verletzte zur Verwertung der Arbeitskraft die Möglichkeit hat und in der Lage ist.[51]

 

Rz. 34

Besondere Aufwendungen, die ein Geschädigter zur Erfüllung seiner Mitarbeitsverpflichtung hat, können ihm zu erstatten sein. Hierzu zählen u.U. Fahrzeugsonderausstattungen (soweit sie nicht den vermehrten Bedürfnissen zugewiesen sind) oder Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel, wenn diese notwendig sind, um einen neue Arbeitsstelle zu erreichen und vor dem Unfall solche Aufwendungen nicht notwendig waren.[52] Vorteilsausgleiche können dabei den Anspruch mindern.

 

Rz. 35

Zwar muss der Schädiger beweisen,[53] dass es dem Verletzten nach den Gesamtumständen seiner besonderen Lage möglich und zumutbar war, eine andere als die ihm infolge des Unfalles unmöglich gewordene Arbeit aufzunehmen. Aus dieser Beweislastverteilung folgt aber nicht, dass der Verletzte sich nicht selbst um eine Arbeitsaufnahme zu kümmern habe. Vielmehr trifft gerade ihn in erster Linie die Pflicht, sich ernsthaft darum zu bemühen, die ihm verbliebene Arbeitskraft nutzbringend zu verwerten, denn er kennt seine Fähigkeiten und Neigungen am besten.[54] Welche Bemühungen er im Einzelnen unternommen hat, ist vom Verletzten im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast vorzutragen und zu beweisen:[55] Hat der Verletzte gar nichts unternommen, um die ihm verbliebene Arbeitskraft zu verwerten, kann mit Anscheinsbeweis oder sogar Beweislastumkehr gearbeitet werden.[56] Den Verletzten seinerseits trifft die Darlegungs- und Beweislast für die in seiner Sphäre liegenden Hindernisse an der Aufnahme einer zumutbaren Arbeitstätigkeit.[57] Er muss i.d.R., wenn er arbeitsfähig oder teilarbeitsfähig ist, den Schädiger darüber unterrichten, welche Arbeitsmöglichkeiten ihm zumutbar und durchführbar erscheinen (ohne allerdings verpflichtet zu sein, insoweit einen Negativbeweis erbringen zu müssen) und was er bereits unternommen hat, um sich wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern und einen angemessenen Arbeitsplatz zu erhalten.[58] Hat der Schädiger (z.B. mithilfe eines Reha-Dienstes) eine konkrete zumutbare Arbeitsmöglichkeit aufgezeigt, ist es sodann Sache des Verletzten, darzulegen und zu beweisen, warum er diese Möglichkeit nicht hat nutzen können.[59]

 

Rz. 36

Erzielt der Verletzte aus einer ersatzweise aufgenommenen Erwerbstätigkeit Einnahmen, ist ihm die Einkommensdifferenz zwischen früherer und jetziger Tätigkeit zu ersetzen. Bei Mithaftung hat der Verletzte den Anspruch auf den Differenzschaden grundsätzlich nur entsprechend der Haftungsquote.[60] Besonderheiten sind aufgrund des Quotenvorrechtes allerdings bei verletzten Beamten zu berücksichtigen.

 

Rz. 37

Die Schadenminderungsverpflichtung eines Verletzten weist deutliche Ähnlichkeiten und Parallelen zu den Erwerbsobliegenheiten des familienrechtlichen Unterhaltsrechtes auf, auch wenn man die Beweislastverteilung von § 1573 I BGB (zu Lasten des Unterhaltsklägers) mit einbezieht. Mit dem Einwand, einen angemessenen Arbeitsplatz nicht gefunden zu haben, hat sich die familienrechtliche Rechtsprechung häufig auseinander zu setzen gehabt. Nach der Ansicht des BGH[61] hat sich der Tatrichter mit der Frage zu befassen, ob die Chance bei intensiverer Arbeitssuche einen Arbeitsplatz zu finden real oder doch nicht völlig irreal oder nur theoretischer Art ist. Familienrechtliche Ansprüche entfallen, soweit für den Fall sachgerechter Bemühungen eine nicht ganz von der Hand zu weisende Beschäftigungschance besteht. Nur...

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