Rz. 36

Zu der Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen, insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften, erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB). Ergibt sich aus der Werbung ein Höchstverbrauch oder ein Mindestzeitraum von Rostfreiheit, sind hieran im Ausgangspunkt auch der Dritt- oder Viertverkäufer gebunden, und zwar nicht nur der Händler, sondern auch der Privatverkäufer.[82] Ausnahmsweise kann aus Werbeaussagen auch eine unselbstständige Garantie i.S.d. § 443 BGB hergeleitet werden (vgl. Rdn 300).

 

Rz. 37

Öffentliche Äußerungen begründen keine Haftung,

wenn der Verkäufer die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste,
wenn die Äußerung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder
wenn sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.
 

Rz. 38

Durch diese Lockerungsklausel wird ein Spielraum für interessengerechte Lösungen geschaffen, die das Festhalten des Handels an Werbeaussagen über Jahre und Jahrzehnte hinweg ausschließen sollen und insbesondere für den Gebrauchtwagenhandel möglicherweise ein "mehr" an Käuferschutz sogar verhindern.[83]

[82] Zur Begründung vgl. BT-Drucks 14/6040, 214; Schellhammer, MDR 2002, 241, 245.
[83] Eggert, zfs 2001, 295, 298.

1. Öffentliche Äußerung über bestimmte Eigenschaften

 

Rz. 39

Die Äußerung muss öffentlich erfolgt sein, also in jedermann zugänglicher Weise. Hauptanwendungsfall sind Werbeaussagen, insbesondere auch in Firmenprospekten[84] und in Internetangeboten.[85]

 

Rz. 40

Angaben auf Ware oder Verpackung entfallen bei Gebrauchtfahrzeugen. Angaben auf einem öffentlichen Verkaufsschild führen schon zu einer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB (vgl. Rdn 14). Angaben aus der Betriebsanleitung (z.B. zum Wendekreis) sind an den einzelnen Kunden gerichtet, der bereits gekauft hat, also nicht "öffentlich" i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Der Verkäufer soll nur dort an die öffentlichen Äußerungen gebunden werden, wo auch er – neben dem Hersteller – hierdurch seinen Absatz fördert, weil Kaufentscheidungen beeinflusst werden.

 

Rz. 41

Weitere Voraussetzung ist, dass es sich um eine Äußerung über "bestimmte Eigenschaften" handelt. Damit entfallen reißerische Anpreisungen allgemeiner Art ohne Bezugnahme auf nachprüfbare Aussagen über die Beschaffenheit der Sache.[86]

[84] AG Essen-Steele DAR 2004, 278; OLG München NJW-RR 2005, 494.
[85] OLG Celle DAR 2006, 269.
[86] BT-Drucks 14/6040, 214.

2. Verkäufer, Hersteller oder Gehilfe

 

Rz. 42

Die Äußerung muss vom Verkäufer, Hersteller oder vom Gehilfen des Herstellers stammen. Als Hersteller ist durch die ausdrückliche Bezugnahme auf § 4 PrdHG auch anzusehen der Importeur, der Quasi-Hersteller sowie der Hersteller eines Grundstoffs oder Teilprodukts (z.B. Werbung des Lackherstellers für schmutzabweisende Eigenschaft).[87]

 

Rz. 43

Eine nähere Definition des Begriffs "Gehilfe" fehlt. Er kann insbesondere nicht gleichgesetzt werden mit dem Erfüllungsgehilfen i.S.d. § 278 BGB, sondern geht weiter. Gehilfe ist jede natürliche oder juristische, rechtsfähige Person, die als vom Hersteller autorisierter Vertriebshändler oder autorisierte Kundenstelle auftritt,[88] darüber hinaus jeder Beauftragte i.S.d. § 13 Abs. 4 UWG,[89] insbesondere die Werbeagentur oder der Verlag. Der Gehilfe muss vom Hersteller bei Äußerungen über die Kaufsache "eingeschaltet" werden; dieser muss die Äußerung also mit Wissen und Wollen des Herstellers abgeben,[90] zumindest muss sie auf seinen Willen zurückzuführen sein.[91]

[87] Reinking, DAR 2002, 15, 16.
[88] Jorden/Lehmann, JZ 2001, 952, 954.
[89] Bernreuther, MDR 2003, 63, 66.
[90] Jorden/Lehmann, JZ 2001, 952, 954.
[91] Westermann, NJW 2002, 241, 245.

3. Fehlende Kenntnis, unverschuldete Unkenntnis

 

Rz. 44

Die Mängelhaftung des Verkäufers aus öffentlichen Äußerungen entfällt, wenn er die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, also seine Unkenntnis auch nicht auf Fahrlässigkeit beruht (vgl. § 122 Abs. 2 BGB). Es genügt einfache Fahrlässigkeit; eine Beschränkung auf grob fahrlässige Unkenntnis ist bewusst unterblieben.[92] Der Verkäufer soll von falschen Werbeaussagen nicht profitieren, wenn ihm ein Fahrlässigkeitsvorwurf hinsichtlich seiner Kenntnis gemacht werden kann. Die Haftung entfällt jedoch, wenn sich der Verkäufer ausdrücklich und konkret vor dem Verkauf von den Werbeaussagen distanziert.[93]

 

Rz. 45

Die Beweislast liegt beim Verkäufer.[94] Der Nachweis unverschuldeter Unkenntnis oder fehlender Kenntnis wird schwer zu führen sein. Leichteste Fahrlässigkeit genügt; eine Abwägung entsprechend § 254 BGB ist ausgeschlossen,[95] selbst wenn ein privater Verbraucher ein Gebrauchtfahrzeug z.B. einem Vertragshändler der betreffenden Marke in Zahlung gibt, der selbst mit der gleichen falschen Werbeanpreisung früher Neuwagen verkauft hat.

 

Rz. 46

Obwohl die Bestimmung bewusst nicht nur für den Verbrauchsgüterkauf sondern auch für Privatverkäufer eingeführt wurde, müssen die Sorgfaltsanforderungen gem. § 276 BGB nach den jeweiligen...

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