Rz. 71

Um die Zielsetzung des Behindertentestamentes zu erreichen, dass die "Nutzungen" aus der Vorerbschaft nicht als einsatzpflichtiges Einkommen oder (umgewandeltes) Vermögen im Sinne des SGB XII behandelt werden, muss um die "Nutzungen" des Nachlasses durch Verfügung des Erblassers "ein weiterer Schutzring" gelegt werden. Dies geschieht durch Anordnung von Dauertestamentsvollstreckung nach § 2209 BGB. Dadurch entsteht an dem der Verwaltung unterworfenen Vermögen – einschließlich seiner Erträgnisse[105] – ein für den Erben nicht frei verfügbares Sondervermögen,[106] das im sozialhilferechtlichen Leistungstatbestand als rechtliches Verwertungshindernis seine Wirkung entfaltet.

 

Rz. 72

Die Testamentsvollstreckung in der Form der einfachen Testamentsvollstreckung reicht zum Schutz der Erträge nicht aus, da der Testamentsvollstrecker bei ordnungsgemäßer Verwaltung der Erbmittel grundsätzlich verpflichtet ist, dem Erben die Mittel herauszugeben, die er für seinen Lebensunterhalt braucht.

Der Dauertestamentsvollstrecker hat den Nachlass in Besitz zu nehmen, ihn in seinem Besitz zu halten und ordnungsmäßig zu verwalten.[107] Eine Freigabe einzelner Gegenstände bei Dauertestamentsvollstreckung kommt nicht in Betracht.[108] Wenn die Testamentsvollstreckung zeitlich unbefristet ist (d.h. bis zum Tod des Erben), kann eine Freigabe von Nachlassgegenständen nicht erreicht werden.[109]

 

Rz. 73

Nach den gesetzlichen Regeln der Vor- und Nacherbschaft erhält der Vorerbe im Regelfall aber gar keine frei verfügbaren Gegenstände, sondern nur die Nutzungen. Diese hat der Dauertestamentsvollstrecker ebenfalls in Besitz zu nehmen und ordnungsgemäß zu verwalten, denn sie gehören ihrerseits wiederum zum Nachlass.[110]

Auch deren Herausgabe kommt bei einer auf Dauer angelegten Testamentsvollstreckung im Grundsatz nicht in Betracht. Lediglich bei der Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht nach § 2338 Abs. 2 S. 2 BGB kennt das Erbrecht einen Anspruch auf den jährlichen Reinertrag als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung. § 2217 BGB kann als Regel dafür, ob und unter welchen Voraussetzungen der Testamentsvollstrecker die Herausgabe von Nutzungen an den Vorerben schuldet, nicht herangezogen werden.[111] Auf Nutzungen ist § 2217 BGB nicht anwendbar.[112] § 2217 BGB kann lediglich Richtschnur sein.[113]

 

Rz. 74

Der Erbe kann die Herausgabe solcher Nutzungen deshalb vom Testamentsvollstrecker nur nach den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Verwaltung verlangen[114] (§ 2216 BGB).

Die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung orientiert sich an den Verwaltungsan-ordnungen des Erblassers, die der Testamentsvollstrecker als bindende Richtlinie seiner Amtsführung[115] auch gegen den erkennbaren Willen des Erben[116] zu beachten hat.

[105] Reimann, ZEV 2013, 8 f.
[106] NK-BGB/ Kroiß, § 2205 Rn 1; § 2211 Rn 3.
[107] BGH v. 14.5.1986 – Az.: IVa ZR 100/84, BGH NJW-RR 1986, 1069, Rn 8
[109] So LSG Hamburg v. 13.9.2012 – Az.: L 4 AS 167/10, juris; ohne weitere Auseinandersetzung mit der Wirkung der Freigabe von Mitteln durch den Testamentsvollstrecker.
[110] BGH v. 4.11.1987 – Az.: IVa ZR 118/86, BGH NJW-RR 1988, 386; 1986, 1069.
[113] Bengel/Reimann/Pauli, Handbuch der Testamentsvollstreckung, § 6 Rn 194.
[114] BGH NJW-RR 1986, 1069, Rn 8 m.w.N. auch auf reichsgerichtliche Rechtsprechung, NJW 1987, 1069; so auch Remann, ZEV 2010, 8 ff. unter ausführlicher Darstellung des Streitstandes mit der Einschränkung einer "gewissen Nähe zu § 2217 BGB bei der Beurteilung der ordnungsgemäßen Verwaltung".
[116] RG v. 17.10.1910 – Az.: V 601/09, RGZ 74, 215; OLG Düsseldorf v. 17.6.1994 – Az.: 3 Wx 218/94, ZEV 1994, 302, 303.

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