Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht zu ordnungsmäßiger Verwaltung des Erbes druch Testamentsvollstrecker

 

Normenkette

BGB §§ 2124, 2126

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 27. März 1986 aufgehoben, soweit die Klage in Höhe von 142.258,29 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist, sowie im Kostenpunkt.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Witwe des am 3. März 1953 verstorbenen Erblassers. Aufgrund privatschriftlichen Testaments vom 11. Mai 1951 ist sie dessen alleinige befreite Vorerbin. Zu Nacherben hat der Erblasser seine Geschwister bzw. deren Abkömmlinge eingesetzt. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus bebautem und vermietetem Grundbesitz in Hamburg und Konstanz.

Der Erblasser hat den Beklagten und Fräulein P., eine Angestellte seiner Hausverwaltung, in § 3 des Testaments zu Testamentsvollstreckern bestellt; Fräulein P. ist 1975 verstorben; seitdem führt der Beklagte die Testamentsvollstreckung alleine fort. In § 3 des Testaments heißt es dann:

"Die Paragraphen 2197-2228 BGB sollen in allen Punkten Anwendung finden. Fräulein P. soll in unveränderter Weise die Verwaltung der Grundstücke weiterführen, unter Beaufsichtigung des ersten Testamentsvollstreckers."

§ 4 des Testaments lautet:

"Nach meinem Ableben soll mein Vermögen möglichst in der jetzigen Form gebunden bleiben, und ich verfüge, daß meine Witwe zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes nur über den Ertrag des ihr von mir hinterlassenen Teils meines Vermögens verfügen darf. Bezüglich meiner Grundstücke sind Transaktionen, die vermeidlich bzw. im Interesse meiner Erben und der Erhaltung der Vermögensmasse nicht offensichtlich angebracht sind, zu unterlassen."

Seit 1975 werden die Grundstücke durch Firma Erich E. B., H., verwaltet. Im Jahre 1983 wurden Kaltmieten in Höhe von insgesamt rund 950.000 DM erzielt, im Jahre 1984 solche in Höhe von fast 960.000 DM. Davon wurden 1983 annähernd 156.000 DM und 1984 rund 209.000 DM für Reparaturen aufgewandt. Die Klägerin erhielt aus dem Ertrag monatliche Abschlagszahlungen und jährlich nach Abrechnung weitere Überschußzahlungen. Sie ist mit den Beträgen, die ihr für die Jahre 1983, 1984 zugeflossen sind, nicht zufrieden und verlangt von dem Beklagten in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker Auszahlung weiterer 159.758,29 DM nebst Zinsen. Dabei handelt es sich um verschiedene Ausgaben, um die der Beklagte die eingenommenen Mieten vor der Auskehr an die Klägerin gekürzt hat, und zwar um 138.402,17 DM Aufwendungen auf den Grundbesitz in Konstanz, um 17.500 DM für den Anschluß des Grundstücks an das öffentliche Abwassersystem und um 3.856,12 DM für ein Gutachten über eine steuerrechtliche Frage. Diese Kürzungen hält die Klägerin für unberechtigt.

Sie behauptet, auf Veranlassung des Beklagten sei die Firma B. an ein Architekturbüro mit dem Auftrag herangetreten zu prüfen, ob nicht irgendetwas an dem Grundbesitz in Konstanz reparaturbedürftig sei. Es sei nach Möglichkeiten gesucht worden, ihr gebührende Erträge nicht auszuzahlen, sondern stattdessen zu investieren. Die betreffenden Arbeiten seien weder geboten noch angebracht gewesen und hätten zu einer erheblichen Wertsteigerung geführt, die nicht ihr, sondern allenfalls den Nacherben zugute kommen könnte.

Landgericht und Oberlandesgericht halten die Klage für unbegründet. Mit ihrer Revision hat die Klägerin ihr Begehren in voller Höhe weiterverfolgt. Der Senat hat die Revision nur wegen der Beträge von 138.402,17 DM und 3.856,12 DM zur Entscheidung angenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt, soweit sie zur Entscheidung angenommen worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

1.

a)

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die vom Erblasser angeordnete Testamentsvollstreckung fortbesteht und daß der Beklagte nach wie vor Testamentsvollstrecker ist. Zwar ende auch eine Dauervollstreckung (§ 2209 BGB), wie sie hier vorliege, gemäß § 2210 Satz 1 BGB regelmäßig nach 30 Jahren. Jedoch lasse § 2210 Satz 2 BGB Ausnahmen zu; insbesondere sei es zulässig, Testamentsvollstreckung bis zum Eintritt des Nacherbfalles anzuordnen. Das sei hier geschehen; dem Testament sei hinreichend deutlich zu entnehmen, daß der Erblasser die Klägerin auf den Ertrag habe beschränken, den Nachlaß bis zum Nacherbfall habe erhalten und beides durch Testamentsvollstreckung habe sicherstellen wollen.

Diese Auslegung durch den Tatrichter läßt keinen Rechtsfehler erkennen und liegt nahe. Soweit die Revision hierzu rügt, bei der Auslegung seien die gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen übersehen, denen der Vorerbe unterliegt, kann sie schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es sich um eine befreite Vorerbschaft handelt.

b)

Im übrigen ist die Klage nicht gegen den Testamentsvollstrecker persönlich, sondern gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker erhoben und richtet sich dementsprechend im Sinne von § 2213 Abs. 1 Satz 1 BGB "gegen den Nachlaß". Sie kann daher nur dann Erfolg haben, wenn der Beklagte (noch) Testamentsvollstrecker ist. Gegen den Testamentsvollstrecker persönlich klagt der Erbe dagegen richtigerweise dann, wenn er den Nachlaß nach Beendigung der Testamentsvollstreckung von diesem herausverlangt (§§ 2018, 667 BGB) oder ihn auf Schadensersatz in Anspruch nimmt (vgl. BGHZ 41, 23, 30; Senatsurteil vom 4.2.1987 - IVa ZR 229/85 - WM 1987, 564).

2.

Unter diesen Umständen kommt es im vorliegenden Verfahren nicht darauf an, ob der Beklagte den Nachlaß oder die Klägerin geschädigt hat und ob diese ihn deswegen gemäß § 2219 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen könnte, sondern es geht lediglich darum, ob der Beklagte zu der Kürzung der eingenommenen Mieten um die noch im Streit befindlichen Posten berechtigt war oder nicht. Das hat das Berufungsgericht anscheinend nicht klar erkannt.

Für die Frage, ob der Beklagte die beanstandeten Kürzungen vornehmen durfte, kommt es zunächst auf dessen Rechtsstellung im allgemeinen und auf seine Rechte und Pflichten im Verhältnis zu der Klägerin als der alleinigen Vorerbin und damit derzeitigen Alleineigentümerin des verwalteten Nachlasses an.

Ein Dauervollstrecker (§ 2209 BGB), um einen solchen handelt es sich hier, hat den Nachlaß in Besitz zu nehmen, im allgemeinen auf Dauer in seinem Besitz zu halten und ordnungsmäßig zu verwalten (§ 2216 BGB). Das gilt grundsätzlich auch für die Nutzungen des Nachlasses (Senatsurteil vom 14.5.1986 - IVa ZR 100/84 - FamRZ 1986, 900 = LM BGB § 2216 Nr. 8); diese gehören ihrerseits zum Nachlaß. Herausgabe der Nutzungen kann der Erbe daher von dem Testamentsvollstrecker nur dann verlangen, wenn das den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht (Senatsurteil vom 14.5.1986 aaO).

Der Inhalt der Pflicht zu ordnungsmäßiger Verwaltung läßt sich nicht für jeden Einzelfall gleich, im einzelnen beschreiben. Er wird vielmehr durch die dem Testamentsvollstrecker gestellten sehr verschiedenartigen Aufgaben bestimmt (vgl. z.B. Senatsurteil vom 3.12.1986 - IVa ZR 90/85 - BGHR BGB § 2216 Abs. 1 "Aktienerwerb 1"). Es liegt aber auf der Hand, daß der Testamentsvollstrecker einen Nachlaß, der der Vor- und Nacherbfolge unterliegt, nicht in derselben Weise verwalten darf, wie ihm das ohne diese Besonderheit gestattet wäre. Anerkanntermaßen stehen dem Vorerben im Verhältnis zum Nacherben die vollen Nutzungen (§ 100 BGB) seiner Vorerbschaft zu, während für den Nacherben lediglich die Substanz des Nachlasses erhalten bleiben muß (Senatsurteil vom 14.5.1986 aaO). Ein auf seinen Vorteil bedachter Vorerbe könnte es darauf anlegen, während der Vorerbschaft möglichst hohe Nutzungen zu erzielen und alle Ausgaben zu vermeiden, die seine Gewinnaussichten schmälern könnten. Demgegenüber geht das Interesse des Nacherben umgekehrt dahin, hohe Nutzungen zu vermeiden und langfristig auf eine Vermehrung der Nachlaßsubstanz hinzuwirken. Der Testamentsvollstrecker muß diesen Interessengegensatz berücksichtigen. Er darf weder die dem Vorerben gebührenden Nutzungen schmälern, noch die Substanz zum Nachteil des Nacherben mindern oder gefährden. Dabei muß er entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch die §§ 2124 bis 2126 BGB beachten, die den Ausgleich von Aufwendungen zwischen Vor- und Nacherben regeln (Senatsurteile vom 10.10.1984 - IVa ZR 75/83 - NJW 1985, 382, 384 und vom 14.5.1986 aaO). Diese Auffassung hat auch das Berufungsgericht - 12. Zivilsenat - noch in seinem Urteil vom 17.2.1981 - 12 U 131/80 - vertreten.

Hält der Testamentsvollstrecker die ihm obliegenden konkreten Pflichten nicht ein, die sich aus seiner Pflicht zu ordnungsmäßiger Verwaltung ergeben, dann kann der Erbe ihn unmittelbar auf Erfüllung in Anspruch nehmen (BGHZ 25, 275, 283; 48, 214, 219, 220; RGZ 73, 26, 28). Ist der Testamentsvollstrecker verpflichtet, bestimmte Erträge an den Vorerben auszuzahlen und tut er das nicht, dann gilt nichts anderes (Senatsurteil vom 14.5.1986 aaO).

3.

In einer Hilfsbegründung legt das Berufungsgericht das Testament dahin aus, daß der Testamentsvollstrecker Aufwendungen für die Erhaltung der Grundstücke aus dem Ertrag habe bestreiten dürfen. § 4 des Testaments zeige, daß zur Erhaltung der Grundstücke auf den Ertrag und nicht auf die Substanz des Nachlasses zurückzugreifen war. Denn das Vermögen des Erblassers habe möglichst in der damaligen Form gebunden bleiben sollen.

Auch mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Wie die Revision zutreffend hervorhebt, ist nicht auszuschließen, daß das Berufungsgericht sich bei der Auslegung des Testaments von seiner unzutreffenden Sicht der Bedeutung der §§ 2224 ff BGB auch für den Testamentsvollstrecker hat beeinflussen lassen. Jedenfalls ist bislang nicht ersichtlich, daß die Nutzungen der Erbschaft, die auch nach der Auffassung des Berufungsgerichts in vollem Umfang der Klägerin gebühren, nach dem Willen des Erblassers zum Teil unter der Verwaltung des Beklagten hätten angesammelt werden sollen.

 

Unterschriften

Rottmüller

Dr. Lang

Dehner

Dr. Schmidt-Kessel

Dr. Zopfs

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456068

DNotZ 1988, 440

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