Rz. 135

Eine Beschränkung seiner Testierfähigkeit kann der Erblasser selbst durch ein gemeinschaftliches Testament oder einen Erbvertrag herbeigeführt haben (§§ 2265 ff., 2274 ff. BGB).

 

Fallbeispiel 86: Die nicht abänderbare Schlusserbeneinsetzung[183]

Die Eltern haben vier Töchter. T 3 ist seit ihrer Geburt schwer behindert. Es bestand von jeher keine Aussicht, dass sie ohne die Fürsorge anderer Menschen würde leben können. Sie lebt in einer Einrichtung der Behindertenhilfe und erhält Eingliederungshilfe nach SGB IX und Grundsicherung nach dem SGB XII.

Die Eltern hatten zunächst ein notarielles Testament errichtet, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzten und verfügten, dass der Überlebende von ihnen frei – auch letztwillig – über den Nachlass verfügen können sollte. In diesem Testament heißt es weiter:

"Sollte eins unserer Kinder dieses Testament anfechten, soll es lediglich den Pflichtteil, und zwar auch von dem Nachlass des zuletzt Verstorbenen erhalten. Auf den Pflichtteil ist alles anzurechnen, was anzurechnen ist. …"

Später errichteten die Eltern ein privatschriftliches Testament, in dem es heißt:

"Wir setzen uns gegenseitig zu Vollerben ein. Erben des Überlebenden sollen unsere Kinder sein. Sollten unsere Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden das Pflichtteil fordern, soll es auch nach dem Tod des später versterbenden Ehegatten auf den Pflichtteil beschränkt sein."

Diese Gestaltung sollte nach der Vorstellung der Eltern so sein, um den Überlebenden zu sichern, denn der Nachlass bestand nur aus einem selbstbewohnten Haus und 40.000 EUR.

Nach dem Tod des Vaters leitete der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch der T 3 gegen die Mutter über. Noch während des darüber rechtshängig gemachten Rechtsstreits errichtete die verwitwete Mutter ein weiteres notarielles Testament. Darin erklärte sie u.a., durch frühere Testamente oder Erbverträge "nicht in ihrer Testierfähigkeit behindert" zu sein und verwies darauf, dass ihr Vermögen in der Hauptsache aus dem Hausgrundstück in F an der L-Straße sowie Bankguthaben in Höhe von ca. 40.000 EUR bestehe. In diesem Testament heißt es:

"… Ich setze hiermit meine Töchter (Anmerkung; Es folgen die Namen aller Töchter) … zu meinen Erben zu gleichen Teilen an. Die als Miterbin eingesetzte Tochter T 3 wird jedoch nur nicht befreite Vorerbin. Zu Nacherben zu gleichen Teilen setze ich meine Töchter T 1 …, T 2 … und T 4 zu gleichen Teilen ein. Die Nacherbfolge tritt mit dem Tode der Vorerbin ein. Die Nacherben sind auch Ersatzerben.… Die Vorerbin ist von den gesetzlichen Beschränkungen nicht befreit. Mit Rücksicht darauf, dass meine Tochter T 3 wegen ihrer Behinderung nicht in der Lage sein wird, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, insbesondere ihren Erbteil zu verwalten, wird hinsichtlich ihres Erbteils Testamentsvollstreckung als Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. …"

Unter der Ziffer 3 des Testamentes der Erblasserin waren weitgehende detaillierte Verwaltungsanordnungen für die Testamentsvollstreckung über den Erbteil der behinderten Tochter enthalten.

Nach dem Tode ihrer Mutter erwirkten die Schwestern einen gemeinschaftlichen Erbschein, der alle vier Töchter der Erblasserin als Miterbinnen zu je ¼-Anteil ausweist – die Tochter T 3 allerdings nur als Vorerbin.

Der Sozialhilfeträger leitete alle der T 3 zustehenden erbrechtlichen Ansprüche auf sich über und machte sodann im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche der T 3 geltend. Richtig?

 

Rz. 136

Der Sozialhilfeträger kann Ansprüche eines Hilfebeziehers, die keine Unterhaltsansprüche sind, nach § 93 SGB XII i.V.m. § 117 SGB XII überleiten und Auskunft sowohl nach zivilrechtlichen Regeln als auch nach § 117 SGB XII verlangen.

Das Auskunftsverfahren nach § 117 SGB X bildet eine Vorstufe zu der Rückgriffsregelung des § 93 SGB XII und ist Ausdruck des in § 2 SGB XII normierten Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe. Dem Recht des Hilfeträgers Auskunft zu verlangen, steht die Pflicht zur Auskunftserteilung in den verfassungsrechtlichen Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht durch das Recht zur informationellen Selbstbestimmung gezogen hat, gegenüber.[184]

 

Rz. 137

Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben auf Auskunft nach § 2314 BGB kann nach Überleitung aber auch im Wege der Stufenklage im Zivilprozess geltend gemacht werden.

Die Beurteilung eines Testamentes, das den Regeln eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments folgt, hängt entscheidend davon ab, ob der Testierende sich von dem vorgehenden Ehegattentestament folgenlos lösen kann.

Ehegatten und Lebenspartner können ein gemeinschaftliches Testament errichten (§§ 2265 ff. BGB). Wenn sie es bezüglich der darin enthaltenen wechselbezüglichen Verfügungen abändern wollen, müssen sie diese förmlich widerrufen. Ist in einem gemeinschaftlichen Testament die Wechselbezüglichkeit nicht ausdrücklich bestimmt, wird nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen im Wege der individuellen Auslegung ermittelt, ob über...

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