Rz. 247

Wechselbezügliche Verfügungen können nach dem Tod des Erstversterbenden geändert werden, wenn dem überlebenden Ehegatten hinreichend klare Abänderungskompetenzen eingeräumt worden sind.[309] Beim Erbvertrag kann durch ein einseitiges, vertragliches Rücktrittsrecht (§ 2293 BGB) der Rücktritt durch Testament nach § 2297 BGB den Weg zur Abänderung vertragsmäßiger Verfügungen öffnen.

Bei der Gestaltung einer Abänderungsklausel sind die Ehegatten frei in ihrer Gestaltung. Haben die Ehepartner verfügt, dass der Überlebende über den Nachlass "frei verfügen" könne, kann dies in mehrfacher Hinsicht verstanden werden und muss ggf. ausgelegt werden.[310]

 

Rz. 248

Eine Abänderungsbefugnis muss nicht ausdrücklich im gemeinschaftlichen Testament geregelt sein, sie kann sich auch konkludent aus der letztwilligen Verfügung ergeben. Eine mögliche Auslegung kann darin bestehen, dass die Schlusserbeinsetzung insgesamt nicht wechselbezüglich sein soll.[311] Eine Auslegung kann darin bestehen, dass sich die Ehegatten Abänderungsmöglichkeiten eingeräumt hätten, wenn sie von einer nicht vorhersehbaren Entwicklung gewusst hätten. Rechtsprechung und Literatur ziehen hier aber enge Grenzen: "Für die Annahme einer durch ergänzende Auslegung des Erbvertrags zu schließenden Lücke dahin, dass die Vertragsschließenden bei Kenntnis der späteren Entwicklung (hier: geistige Behinderung des gemeinsamen Sohnes) anders testiert, nämlich den Sohn nicht uneingeschränkt als Erben eingesetzt hätten, ist kein Raum, solange der Erbvertrag nicht andeutet, in welcher Weise er angepasst oder eine andere Form der letztwilligen Verfügung gewählt worden wäre."[312]

 

Rz. 249

Mit allen Risiken, die eine Abänderungskompetenz hat, bietet sie den Vorteil, flexibel auf nicht vorhergesehene oder nicht vorhersehbare Veränderungen und Entwicklungen reagieren zu können.[313] Mit einer solchen Abänderungskompetenz können insbesondere unzureichende "Schutzringe" für den Nachlass des behinderten Erben/Vermächtnisnehmers nachgebessert werden. Es sollte daher nicht auf die konkludente Abänderung vertraut werden, sondern eine ausdrückliche Abänderungskompetenz für den Überlebenden vorbehalten bleiben.

[309] Zu Änderungsklauseln vgl. Horn/Kroiß, Testamentsauslegung – Strategen bei unklaren letztwilligen Verfügungen, § 17 Rn 46 ff.; § 18 Rn 28 ff.
[310] Tanck, ZErb 2014, 269, 271 mit Abänderungsvorschlag.
[311] Tanck, ZEV 2020, 15, 19 m.w.N
[313] Ruby, ZEV 2006, 70.

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