Rz. 166

In der Praxis findet sich häufig der Fall, dass der Erwerber bereits vor der Zuwendung Eigenleistungen erbrachte, etwa Bauaufwendungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann demjenigen, der in der begründeten Erwartung künftigen Eigentumserwerbs auf einem fremdem Grundstück Bauarbeiten vornimmt oder vornehmen lässt, ein Bereicherungsanspruch zustehen, wenn diese Erwartung später enttäuscht wird.[322] Jedoch entsteht der Bereicherungsanspruch erst dann, wenn der Nichteintritt des bezweckten Erfolges feststeht.[323] Kommt es daher zu einer Übergabe, kann aus diesem Rechtsgrund kein Bereicherungsanspruch hergeleitet werden, der den Zuwendungswert mindern würde. Richtiger ist daher, den Anspruch auf eine vertragliche Vereinbarung zu stützen (siehe Rdn 167) oder aber zumindest auf §§ 951, 812 BGB, wobei dann aber das Problem der "aufgedrängten Bereicherung" entstehen kann.[324]

 

Rz. 167

In vielen Fällen wird der Erwerber auch bereits über die gesetzliche Verpflichtung des § 1619 BGB hinaus auf dem Vertragsobjekt, etwa einem landwirtschaftlichen Betrieb, mitgearbeitet haben. Ebenfalls häufig sind die Fälle, dass bereits vorher umfassende Pflegeleistungen im Hinblick auf die künftige Zuwendung erbracht wurden. Dies ist die oben besprochene Fallgruppe der sog. vorweggenommenen Erfüllungshandlungen (siehe Rdn 154). Jedoch ist die Rechtsprechung zur Berücksichtigung bereits vor der Zuwendung erbrachter Dienst- und Pflegeleistungen sehr uneinheitlich. So hatten in dem vom OLG Karlsruhe[325] entschiedenen Fall die Tochter und ihr Ehemann jahrelang zur Aufrechterhaltung des elterlichen Fotogeschäfts und der Lebensführung der Eltern ganz erhebliche Leistungen erbracht. Der daraus sich ergebende Bereicherungsanspruch rangiert nach Auffassung des Gerichts aber im Rang nach dem Pflichtteilsanspruch (§ 2311 Abs. 1 BGB). Demgegenüber können nach Auffassung des OLG Oldenburg[326] auch in der Vergangenheit erbrachte Dienstleistungen (Mitarbeit in der später übergebenen Bäckerei und Gaststätte) berücksichtigt werden, wenn diese wegen der bereits versprochenen künftigen Zuwendung erfolgte. Allerdings scheidet nach der nicht näher begründeten Auffassung des Gerichts eine Indexierung dieser vorweggenommenen Leistungen aus.

 

Praxishinweis

In solchen Fällen ist dringend anzuraten, dass vor Beginn der Leistungserbringung durch den Übernehmer eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung über den Ersatz seiner Aufwendungen zu realistischen Wertansätzen erfolgt. Allerdings darf bei Zuwendung von Betriebsvermögen die steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Seite nicht übersehen werden: Da es sich dann infolge der Leistungsverknüpfung um entgeltliche Leistungen handelt, sind diese u.U. einkommens- und sozialversicherungspflichtig.

[322] BGHZ 108, 256, 261 = NJW 1989, 2745; BGH LM § 951 BGB Nr. 14 = WM 1961, 700 (unter 2); BGHZ 35, 356, 358; BGHZ 44, 321, 322; BGH WM 1971, 474; BGH v. 12.3.1976 – IV ZR 49/75, nicht veröffentlicht, jedoch wiedergegeben bei Johannsen, WM 1977, 270, 280.
[323] BGHZ 108, 256, 261 = NJW 1989, 2745; BGHZ 35, 356, 359 f.; BGH WM 1966, 369 (unter IV); BGH LM § 812 BGB Nr. 84 = WM 1968, 1038 (unter 3).
[324] Dazu etwa MüKo-BGB/Füller, § 951 Rn 29 f.
[325] OLG Karlsruhe ZEV 2002, 196 f. = ZErb 2002, 100 m. abl. Anm. Bonefeld; vgl. dazu auch den ebenfalls ablehnenden Aufsatz von Haas/Holla, ZEV 2002, 169, die in zu weit reichender Weise dazu tendieren, einen Bereicherungsanspruch ganz zu verneinen, weil die enttäuschenden Erberwartungen in ausreichender Form bereits durch das Pflichtteilsrecht, insbesondere nach §§ 2057a, 2316 BGB, kompensiert würden.
[326] OLG Oldenburg ZErb 2008, 118; dazu Rogler, ErbR 2007, 130.

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