1. Versicherungspflicht

 

Rz. 21

Das erhebliche Schadensrisiko seines Berufes erfordert vom Arzt den Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Es besteht jedoch – zumindest bislang – keine generelle gesetzliche Versicherungspflicht für Ärzte. Eine solche Pflicht ergibt sich lediglich aus der Musterberufsordnung, auf die im Folgenden noch genauer eingegangen wird.

 

Rz. 22

Im Zuge der Novellierung des VVG gab es in der Versicherungswirtschaft Sorge darüber, dass der Gesetzgeber den Pflichtversicherungskreis gem. § 113 VVG n.F. erweitern würde. § 113 VVG n.F. hat die alte Regelung des § 158 VVG a.F. ersetzt, mit einer kleinen Änderung. Aus der ­"gesetzlichen Verpflichtung" zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung – wie sie für die Berufshaftpflichtversicherung der Ärzte und Krankenhäuser nach den Landes-Heilberufsgesetzen gerade nicht besteht – ist eine Verpflichtung "durch Rechtsvorschrift" geworden. Da die Berufsordnung der Ärzte eine Rechtsvorschrift darstellt, war zunächst unklar, ob die Berufshaftpflichtversicherung eines Arztes eine Pflichtversicherung sein soll oder nicht. Weder die Gesetzesbegründung noch der Gesetzestext gaben hierüber abschließend Auskunft. Die Konsequenzen, die eine solche Umqualifizierung der Berufshaftpflichtversicherung eines Arztes in eine Pflichtversicherung hätte, wären beträchtlich. Die Formulierung von § 113 Abs. 1 VVG n.F. ist aber wohl als redaktionelle Ungenauigkeit des Gesetzgebers auszulegen, der von der bisherigen Einordnung der Berufshaftpflichtversicherung von Ärzten nicht abrücken wollte. Dies zeigt die Gesetzesbegründung zu § 113 VVG n.F., wo es heißt: "Die Legaldefinition der Pflichtversicherung in Absatz 1 entspricht dem bisherigen § 158 b Abs. 1 VVG."[29]

 

Rz. 23

Die Gesetzesbegründung zu § 115 VVG n.F., der den Direktanspruch gegen den Versicherer regelt, sorgte ebenfalls kurzfristig in der Versicherungsbranche für Irritation. Hier ist davon die Rede, dass "das bestehende Vertrauensverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Geschädigtem (z.B. Arzt-Patient, …) nicht dadurch belastet wird, dass sich der Geschädigte direkt an den Versicherer wenden kann".[30] Diese Begründung ist jedoch nicht als Indiz dafür zu verstehen, dass die Arzthaftpflichtversicherung nunmehr als Pflichtversicherung anzusehen wäre, vielmehr bezieht sich der Passus in der Gesetzesbegründung auf § 115 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VVG n.F., da auch unabhängig von einer Pflichtversicherung ein Direktanspruch gegen den Versicherer im Falle einer Insolvenz oder der Nichtauffindbarkeit des Schädigers besteht. Im Ergebnis kann daher auch für die Zukunft und trotz der redaktionellen Änderung in § 113 VVG n.F. die Haftpflichtversicherung des Arztes – vorbehaltlich einer Gesetzesreform (vgl. Rdn 13 ff.) – nicht als echte Pflichtversicherung behandelt werden.

[29] Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 20.12.2006, BT-Drucks 16/3945; wegen des Wortlauts gleichwohl für Pflichtversicherung Weidinger, MedR 2012, 240.
[30] Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 20.12.2006, BT-Drucks 16/3945; wegen des Wortlauts gleichwohl für Pflichtversicherung Weidinger, MedR 2012, 240.

a) Arzthaftpflichtversicherung als Pflichtversicherung?

 

Rz. 24

Pflichthaftpflichtversicherungen sind nach § 113 Abs. 1 VVG solche, zu deren Abschluss eine Verpflichtung durch Rechtsvorschrift besteht. Die Einordnung einer Haftpflichtversicherung als Pflichthaftpflichtversicherung nimmt der Gesetzgeber vor, wenn er auch den geschädigten Dritten schützen will. Dieser erhält nämlich einen Direktanspruch gegen den Versicherer,[31] der Versicherer hat die Risiken eines gestörten Versicherungsverhältnisses zu tragen,[32] der Versicherer hat eine Mindestversicherungssumme zu gewährleisten.[33] Ein Direktanspruch besteht in den in § 115 VVG aufgeführten Fällen, nämlich im Falle einer Pflichthaftpflichtversicherung nach § 1 PflVG,[34] im Falle der Insolvenz des VN, der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder der Ablehnung der Insolvenz mangels Masse[35] und im Falle unbekannten Aufenthaltes des VN.[36] Der Geschädigte gewinnt also nach § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG neben dem insolventen Schädiger einen zusätzlichen insolvenzsicheren Anspruchsgegner.[37]

 

Rz. 25

Haben VN und Versicherer einen Selbstbehalt vereinbart, beschränkt sich die Verpflichtung des Versicherers gewissermaßen nach unten durch den vereinbarten Selbstbehalt, nach oben durch die Deckungssumme. Folglich trifft das Risiko der Zahlungsunfähigkeit den Geschädigten mindestens in Höhe des Selbstbehaltes. Auch das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Befreiungsanspruch gemäß § 110 VVG besteht nur in Höhe dieses Befreiungsanspruchs. Demgegenüber gilt zum Schutz des Geschädigten im Falle einer Pflichthaftpflichtversicherung der § 114 Abs. 2 S. 2 VVG, wonach ein Selbstbehalt dem Dritten nicht entgegen gehalten werden kann. Der Selbstbehalt entfaltet also dann nur im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer seine Wirkung.[38]

Die Verpflichtung zum Abschluss einer Heilwesenhaftpflichtversicherung ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregel...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge