Rz. 24

Pflichthaftpflichtversicherungen sind nach § 113 Abs. 1 VVG solche, zu deren Abschluss eine Verpflichtung durch Rechtsvorschrift besteht. Die Einordnung einer Haftpflichtversicherung als Pflichthaftpflichtversicherung nimmt der Gesetzgeber vor, wenn er auch den geschädigten Dritten schützen will. Dieser erhält nämlich einen Direktanspruch gegen den Versicherer,[31] der Versicherer hat die Risiken eines gestörten Versicherungsverhältnisses zu tragen,[32] der Versicherer hat eine Mindestversicherungssumme zu gewährleisten.[33] Ein Direktanspruch besteht in den in § 115 VVG aufgeführten Fällen, nämlich im Falle einer Pflichthaftpflichtversicherung nach § 1 PflVG,[34] im Falle der Insolvenz des VN, der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder der Ablehnung der Insolvenz mangels Masse[35] und im Falle unbekannten Aufenthaltes des VN.[36] Der Geschädigte gewinnt also nach § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG neben dem insolventen Schädiger einen zusätzlichen insolvenzsicheren Anspruchsgegner.[37]

 

Rz. 25

Haben VN und Versicherer einen Selbstbehalt vereinbart, beschränkt sich die Verpflichtung des Versicherers gewissermaßen nach unten durch den vereinbarten Selbstbehalt, nach oben durch die Deckungssumme. Folglich trifft das Risiko der Zahlungsunfähigkeit den Geschädigten mindestens in Höhe des Selbstbehaltes. Auch das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Befreiungsanspruch gemäß § 110 VVG besteht nur in Höhe dieses Befreiungsanspruchs. Demgegenüber gilt zum Schutz des Geschädigten im Falle einer Pflichthaftpflichtversicherung der § 114 Abs. 2 S. 2 VVG, wonach ein Selbstbehalt dem Dritten nicht entgegen gehalten werden kann. Der Selbstbehalt entfaltet also dann nur im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer seine Wirkung.[38]

Die Verpflichtung zum Abschluss einer Heilwesenhaftpflichtversicherung ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. In den Bundesländern Bayern, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein[39] besteht nach den Heilberufsgesetzen dieser Länder die zwingende Verpflichtung zum Abschluss einer Heilwesenhaftpflichtversicherung für die Berufsträger der Heilberufe. In sechs anderen Bundesländern finden sich nur entsprechende Ermächtigungen im Sinne einer Kann-Vorschrift, eine solche Versicherungspflicht in den jeweiligen Berufsordnungen festzulegen, also den Satzungen der Kammern. Nur in Baden-Württemberg besteht eine zwingende Anordnung zur Regelung einer Versicherungspflicht in der Berufsordnung nach § 31 Abs. 2 HBKG-BW.[40] Sieht man die Heilberufskammergesetze als eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 113 VVG an,[41] besteht die Heilwesenversicherung also in zehn Bundesländern als Pflichtversicherung, in den übrigen sechs Bundesländern als einfache Haftpflichtversicherung. Demnach hängt es von der Kammerzugehörigkeit des Behandlers ab, ob der Geschädigte den Vorteil der §§ 113124 VVG in Anspruch nehmen kann oder nicht, eine sehr unbefriedigende Regelung. Deshalb hat der GDV auch zu Recht anlässlich der Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes Bayern eine einheitliche Regelung in allen Heilberufe-Kammergesetzen der Länder gefordert.[42]

 

Rz. 26

Schon bisher war streitig, ob die in den gesetzlichen Berufsordnungen enthaltene Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung zu einer Pflichtversicherung im Sinne des VVG führt.[43] Dass die Arzthaftpflichtversicherung auf dem Wege zur Pflichtversicherung im Sinne des VVG ist, ergibt sich jetzt auch aus der Neufassung des § 6 Abs. 1 der BÄO durch Art. 4 c des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz), welches am 26.2.2013 in Kraft getreten ist. Nach § 6 Abs. 1 BÄO kann nunmehr das Ruhen der Approbation auch in dem Fall angeordnet werden, dass

Zitat

"5. sich ergibt, dass der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht."

Es wird abzuwarten sein, wie sich die Ärztekammern dieser neuen Pflicht widmen und welche technischen Möglichkeiten sie ausschöpfen, um die Überwachung des Haftpflichtversicherungsschutzes gewährleisten.

Es ist Aufgabe des Landesgesetzgebers, im Heilwesen und der Gesundheitsfürsorge Vorschriften über eine Pflichtversicherung zu schaffen. Ohne eine solche landesgesetzliche Regelung besteht keine Pflichtversicherung.

 

Rz. 27

Soweit Anschlag die Auffassung vertritt, dass nach der Neufassung des VVG die Berufshaftpflichtversicherung des Krankenhausträgers in Bezug auf die Ärzte, nicht aber in Bezug auf anderes Personal als Pflichthaftpflichtversicherung im Sinne der §§ 113 ff. VVG einzuordnen ist, dies allerdings mangels gesetzlicher Regelung für die Länder Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen nicht gelten soll,[44] wäre eine solche gesetzliche "Flicken"-Regelung nicht praktikabel. Zudem fehlt es, wie A...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge