1. Zweck und Begriff des Inventars

 

Rz. 677

Das Inventarverzeichnis (§§ 1993 ff. BGB) dient zunächst dem Erben dazu, sich über den Bestand des Nachlasses – Aktiva und Passiva – zu informieren. Es gibt aber auch dem Nachlassgläubiger Aufschluss über den Umfang des Nachlasses. Das Inventar kann vom Erben entweder freiwillig (§ 1993 BGB) oder auf Antrag eines Gläubigers errichtet werden (§ 1994 BGB, vgl. das Muster Rdn 682).

 

Rz. 678

Das unter Beachtung der Formalien der §§ 1993 ff. BGB errichtete Inventarverzeichnis ist kein Mittel zur Haftungsbeschränkung, es erzeugt lediglich die Vermutung im Verhältnis zwischen dem Erben und den Nachlassgläubigern, dass weitere Nachlassgegenstände als die im Inventar verzeichneten nicht vorhanden sind, § 2009 BGB. Einem verbreiteten Missverständnis muss vorgebeugt werden: Es wird nicht vermutet, dass die verzeichneten Gegenstände auch wirklich zum Nachlass gehören. Mit dem Inventarverzeichnis bereitet der Erbe lediglich eine etwa notwendig werdende Haftungsbeschränkung vor.

2. Formelle Erfordernisse

 

Rz. 679

Ein privat errichtetes Inventar entspricht nicht den gesetzlichen Voraussetzungen. Der Erbe muss bei der Aufnahme eine Behörde oder einen Notar hinzuziehen, § 2002 BGB. Auch das Nachlassgericht selbst kann das Inventar aufnehmen, § 2003 BGB. Das Inventar soll den gesamten Nachlassbestand und den Wert der Nachlassgegenstände enthalten, § 2001 BGB. Es ist beim örtlich zuständigen Nachlassgericht einzureichen (letzter Wohnsitz des Erblassers, § 343 Abs. 1 FamFG).

 

Rz. 680

Sofern der Erbe das Inventar nicht ohnehin freiwillig errichtet, kann jeder Nachlassgläubiger beantragen, dass das Nachlassgericht dem Erben eine Frist zur Inventarerrichtung setzt, § 1994 BGB. Der Nachlassgläubiger hat seine Forderung glaubhaft zu machen, § 1994 Abs. 2 S. 1 BGB, § 31 FamFG, § 294 ZPO (vgl. das Muster Rdn 682).

 

Rz. 681

Auf Antrag eines Nachlassgläubigers ist der Erbe verpflichtet, die Vollständigkeit des Inventars an Eides statt zu versichern, § 2006 BGB. Zuständig dafür ist das Nachlassgericht. Die eidesstattliche Versicherung kann nicht erzwungen werden. Weigert sich der Erbe, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, so tritt unbeschränkte Haftung gegenüber dem betreffenden Gläubiger ein, § 2006 Abs. 3 BGB.

3. Muster: Antrag auf Inventarerrichtung

 

Rz. 682

Muster 11.43: Antrag auf Inventarerrichtung

 

Muster 11.43: Antrag auf Inventarerrichtung

An das

Amtsgericht

– Nachlassgericht –

_________________________

Nachlasssache des Herrn _________________________, gestorben am _________________________, zuletzt wohnhaft in _________________________

hier: Antrag auf Fristsetzung zur Inventarerrichtung

Herr _________________________ ist am _________________________ in _________________________ gestorben. Ich vertrete die Interessen der Firma _________________________. Auf mich lautende Vollmacht füge ich bei – Anlage 1 –.

Meine Mandantin hat eine Forderung in Höhe von _________________________ EUR aus dem Kauf eines _________________________, die sich gegen den Erblasser richtete und die nach § 1967 BGB als Nachlassverbindlichkeit auf die Alleinerbin übergegangen ist.

Beweis: Begl. Kopie des Kaufvertrags vom _________________________ – Anlage 2 –

Meine Mandantin hat ihrerseits den Kaufvertrag erfüllt, der Erblasser hat die gekaufte Sache am _________________________ übereignet erhalten.

Beweis: Empfangsbestätigung vom _________________________ – Anlage 3 –

Irgendwelche Mängel hat der Erblasser nie geltend gemacht. Auf Mahnungen meiner Mandantin hat er nicht reagiert.

Alleinerbin des Erblassers wurde nach dem Erbschein des Nachlassgerichts Frau _________________________. Auf den in den Nachlassakten befindlichen Erbschein nehme ich Bezug. Nach Kenntnis meiner Mandantin wurde bisher weder Nachlassverwaltung noch ein Nachlassinsolvenzverfahren angeordnet.

Ein Vollstreckungstitel ist nicht vorhanden.

Namens meiner Mandantin beantrage ich hiermit, der Alleinerbin nach § 1994 BGB eine

Frist zur Inventarerrichtung

zu bestimmen. Ich bitte, mir eine Abschrift des Beschlusses über die Fristsetzung zu übermitteln.

(Rechtsanwalt)

4. Amtliche Aufnahme des Inventars

a) Antrag des Erben

 

Rz. 683

Auf Antrag des Erben (vgl. das Muster Rdn 688) oder eines Miterben nimmt das Nachlassgericht das Inventar entweder selbst auf oder überträgt diese Aufgabe einer zuständigen Behörde, einem zuständigen Beamten oder Notar, § 2003 BGB. Der Erbe kann den Beamten oder Notar nicht unmittelbar beauftragen.[538]

 

Rz. 684

Grundsätzliches zur Mitwirkung des Notars bei der Aufnahme eines Verzeichnisses:[539] In zweierlei Hinsicht unterscheidet das BGB bei der Beteiligung eines Notars im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses:

Hinzuziehung des Notars bei Errichtung des Verzeichnisses (§§ 1993, 2002 BGB),
Aufnahme des Verzeichnisses durch den Notar (§§ 2121 Abs. 3, 2215 Abs. 4, 2003, 2314 Abs. 2 BGB).
 

Rz. 685

Der Notar hat in beiden Fällen über die Wahrheitspflicht zu belehren und so darauf hinwirken, dass die Angaben vom Auskunftsverpflichteten auch wahrheitsgemäß gemacht werden.[540] Bei der Hinzuziehung des Notars hat dieser nicht die Pflicht, die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen.[541]

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