Rz. 93

Im Gegensatz dazu geht die Unterhaltsverpflichtung des Erblassers gegenüber einem geschiedenen Ehegatten als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben über (§ 1586b Abs. 1 BGB). Allerdings haftet der Erbe nur bis zur Höhe des Betrages, der dem Pflichtteil entspricht, der dem unterhaltsberechtigten Ehegatten zustünde, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre,§ 1586b Abs. 1 S. 3 BGB (zur Einbeziehung fiktiver Pflichtteilsergänzungsansprüche in die Haftungsgrenze des § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB[84] siehe Rdn 94 ff.). Ist unter den Voraussetzungen des § 1933 BGB nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen, so gilt gem. § 1933 S. 3 BGB ebenfalls die Vorschrift des § 1586b BGB.

Ob der Tod des Unterhaltsschuldners ein wichtiger Grund i.S.v. § 1585 Abs. 2 BGB ist, der dem Unterhaltsgläubiger das Recht gibt, eine Kapitalabfindung des Unterhalts verlangen zu können, ist ungeklärt. Es spricht aber vieles dafür. Aber nur der Gläubiger hat das Recht auf Abfindung, nicht auch der Erbe als Unterhaltsschuldner.

Hat der geschiedene Ehegatte in einem Ehevertrag auf nacheheliche Unterhaltsansprüche gem. § 1585c BGB verzichtet, so kann ein solcher Verzicht u.U. nichtig sein.[85]

 

Rz. 94

Die Haftungshöchstsumme umfasst den fiktiven ordentlichen Pflichtteil und den fiktiven Ergänzungspflichtteil. Dazu der BGH im Urt. v. 29.11.2000:[86]

Zitat

"In die Haftungsgrenze des § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB sind (fiktive) Pflichtteilsergänzungsansprüche des Unterhaltsberechtigten gegen den Erben einzubeziehen."

Dieses BGH-Urteil ist für die vielfältige prozessrechtliche und materiellrechtliche Problematik, die § 1586b BGB in sich birgt, unter mehreren Aspekten von Interesse:

Die Umschreibung eines gerichtlichen Vergleichs, der nachehelichen Ehegattenunterhalt regelt, nach §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 1, 727 ZPO auf den Erben des Unterhaltsschuldners wird als zulässig angesehen.
Die Abänderungsklage nach § 323 ZPO (und nicht zwingend die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO) ist die richtige Klageart, mit der ein Erbe des Unterhalt schuldenden Ehegatten u.a. das Erreichen der fiktiven pflichtteilsgleichen Haftungssumme des § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB geltend machen kann. Für die Zeit seit 1.9.2009 gelten für Unterhaltssachen die §§ 231 ff. FamFG, für die Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und Urkunden die §§ 238, 239 FamFG.
Neben der Haftungsbegrenzung aus § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB besteht die allgemeine Beschränkung der Erbenhaftung auf den Nachlass mit dem prozessualen Haftungsbeschränkungsvorbehalt des § 780 ZPO.
Der Haftungsbeschränkungsvorbehalt des § 780 ZPO steht nicht nur dem Beklagten eines Prozesses zu, sondern kann auch – je nach Prozess-Situation – vom Kläger geltend gemacht werden.
[84] BGH FamRZ 2001, 282 = ZEV 2001, 113.
[85] BVerfG FamRZ 2001, 343. Im entschiedenen Fall wurde der Unterhaltsverzicht einer Schwangeren, die vor der Eheschließung auf Betreuungsunterhalt verzichtet hatte, als unwirksam angesehen. Das BVerfG führt in einem weiteren, für das Ehevertragsrecht weittragenden Beschl. v. 29.3.2001 (FamRZ 2001, 733) aus: "Eheverträgen sind dort Grenzen zu setzen, wo jene nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft sind, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegeln. Die Eheschließungsfreiheit rechtfertigt keine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung." – Vgl. dazu jetzt: BGHZ 158, 81 = NJW 2004, 930 = FamRZ 2004, 601 m. Anm. Borth = ZNotP 2004, 157 = BGHR 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = FPR 2004, 209 = FuR 2004, 119 = FF 2004, 79 = RhNotZ 2004, 150 = NotBZ 2004, 152 = MDR 2004, 573 = JuS 2004, 539. Bestätigt im Beschl. des BGH v. 6.10.2004 – XII ZB 110/99 (FamRZ 2005, 26 = ZNotP 2005, 27 = NJW 2005, 137 = FamRB 2005, 8 = MDR 2005, 216 = FF 2005, 43 = NotBZ 2005, 73). Zu den Überlegungen für die Praxis vgl. Bergschneider, FamRZ 2004, 1757. Und weitere Bestätigung im Urt. des BGH v. 12.1.2005 – XII ZR 238/03, ZErb 2005, 33 = DNotI-Report 2005, 70 und in zwei Urt. des BGH v. 25.5.2005 FamRZ 2005, 1444 (sehr lesenswert!) m. Anm. Bergschneider und FamRZ 2005, 1449.
[86] BGH FamRZ 2001, 282 = ZEV 2001, 113.

aa) Zulässigkeit der Rechtsnachfolger-Umschreibung eines Unterhaltstitels auf Schuldnerseite

 

Rz. 95

Eine Titelumschreibung ist nur zulässig, wenn der titulierte gegen den Erblasser gerichtete Anspruch sich auch gegen den/die Erben richtet.

In der Literatur war lange umstritten, ob zwischen dem nachehelichen Ehegatten-Unterhaltsanspruch nach §§ 1569 ff. BGB einerseits und dem gegen die Erben gerichteten Anspruch des geschiedenen Ehegatten aus § 1586b BGB andererseits materiellrechtliche Identität in dem Sinne bestehe, dass es sich um gleiche Ansprüche und damit im Prozess um die gleichen Streitgegenstände handle. Der BGH hat diese Streitfrage nunmehr in dem Sinne geklärt, dass die Ansprüche identisch sind. Der BGH entschied zur Umschreibung eines Titels im Zusammenhang mit nachehelichem Unterhalt bei § 1586b BGB im Beschl. v. 4.8.2004:[87]

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