I. Einordnung

 

Rz. 1

Die bisherige Eingangsnorm des § 1896 BGB a.F. wird nach der neuen Zählung zu § 1814 BGB n.F. Betont wird, dass eine Unfähigkeit zur Erledigung der Angelegenheiten im "rechtlichen" Sinne vorliegen müsse. Dies ist ein weiterer Versuch, den überzogenen Erwartungen an Betreuer an die Regelung des gesamten Lebens eines Betreuten entgegenzutreten, welche auch durch die misslungene Bezeichnung "Betreuer" gefördert wurde.

Dem soll dienen, was als "Legaldefinition" in § 1814 Abs. 1 BGB n.F. bezeichnet wird,[1] allerdings nicht die Person oder Tätigkeit des "rechtlichen Betreuers" beschreibt, sondern die Voraussetzungen für seine Bestellung.

[1] BReg, BT-Drucks 19/24445 (Gesetzentwurf), 231.

II. Krankheit oder Behinderung

 

Rz. 2

Es entfallen die Beschreibungen wie "psychisch" oder "geistig" bei Krankheit oder Behinderung. Dies soll keine inhaltliche Änderung sein, sondern eine Diskriminierung durch die Hervorhebung "psychischer" Erkrankungen vermeiden.[2] Besser umfasst werden dadurch zudem schwere körperliche Erkrankungen, die aber keine Behinderung darstellen.

Kritisiert wird die sprachliche Änderung mit Blick auf Suchterkrankungen, für die befürchtet wird, dass nicht mehr nur solche z.B. Alkohol- oder Drogenabhängigkeiten erfasst werden, die in ihrem Ausmaß eine psychische Erkrankung annehmen lassen.[3] Dem ist nicht so. An der einschlägigen Rechtsprechung des BGH[4] und der Berücksichtigung des Grades der Störung auf die Fähigkeit, seine Angelegenheiten selbst zu regeln, wird festgehalten.[5] Zuzugeben ist, dass die sprachliche Änderung nicht konsequent vorgenommen wird,[6] denn die "psychische Krankheit" wird in §§ 1831 Abs. 1 Nr. 1, 1832 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. (entsprechen §§ 1906, 1906a BGB a.F.) weiter genannt.

Für ausschließlich körperlich behinderte Menschen darf wie bisher (§ 1896 Abs. 1 S. 3 BGB a.F.) nur auf deren Antrag oder dann ein Betreuer bestellt werden, wenn diese ihren Willen nicht kundtun können (§ 1814 Abs. 4 BGB n.F.).

[2] BReg, BT-Drucks 19/24445 (Gesetzentwurf), 230 f.; Schnellenbach/Joecker/Normann-Scheerer, BtPrax 2019, 127, 128; kritisch: Schwab, FamRZ 2020, 1321, 1324.
[3] Schneider, BtPrax 2021, 9, 10 mit Verweis u.a. auf BGH – XII ZB 167/18, NJW-RR 2018, 1221.
[5] BReg, BT-Drucks 19/24445 (Gesetzentwurf), 231.
[6] Schneider, BtPrax 2021, 9, 10.

III. Minderjährige, § 1814 Abs. 5 BGB n.F.

 

Rz. 3

Mit in § 1814 Abs. 5 BGB n.F. soll für 17-Jährige ermöglicht werden, eine Betreuungseinrichtung in die Wege zu leiten, wenn deren Erforderlichkeit absehbar ist (bislang § 1908a BGB a.F.). So kommt es nicht zu Vertretungslücken bei schon in jungen Jahren und dauerhaft unterstützungsbedürftigen Menschen. Wirksam wird die Bestellung aber erst mit der Volljährigkeit des Betroffenen.

IV. Entgegenstehender, freier Wille, § 1814 Abs. 2 BGB n.F.

 

Rz. 4

Die Feststellung, dass gegen den freien Willen eines Betroffenen keine Betreuung eingerichtet werden darf, wird von § 1896 Abs. 1a BGB a.F. zu § 1814 Abs. 2 BGB n.F. verlagert.

V. Erforderlichkeit

1. Einleitung

 

Rz. 5

Orientierte sich die Erforderlichkeit bislang an den Aufgabenkreisen (§ 1896 Abs. 2 S. 1 BGB a.F.), ist nun der Grundsatz der Notwendigkeit der Erforderlichkeit in § 1814 Abs. 3 S. 1 BGB n.F. festgeschrieben und im § 1814 Abs. 3 S. 2 BGB n.F. wird der Vorrang anderer Unterstützung ausformuliert.

2. Vorsorgevollmacht

 

Rz. 6

Die Erforderlichkeit entfällt wie bisher bei einer ausreichenden Vorsorgebevollmächtigung (dazu § 15), § 1814 Abs. 2 Nr. 1 BGB n.F. (bisher § 1896 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BGB a.F.). Beim Vorrang der Bevollmächtigung werden die Worte "ebenso gut" klarstellend durch "gleichermaßen" ersetzt,[7] da ein Berufsbetreuer bei wörtlicher Auslegung der alten Formulierung aufgrund seiner Qualifikation und Übung einem ehrenamtlichen Bevollmächtigten in den meisten rechtlichen Bereichen überlegen ist.

 

Wichtige Regelung

Der Bevollmächtigte muss nicht mehr "ebenso gut" geeignet sein.

 

Rz. 7

Ausgeschlossen als vorrangige Bevollmächtigte sind die bisher in § 1897 Abs. 3 BGB a.F. und nun (mit anderer Formulierung, siehe § 17 Rdn 14 f.) in § 1816 Abs. 6 BGB n.F. genannten Personen, die den Betroffenen professionell versorgen, wobei der Kreis sinnvollerweise deutlich ausgeweitet wurde.[8] So geht es nicht mehr nur um Angestellte von Einrichtungen, bei denen der Betroffene wohnt, sondern auch um andere Versorgende wie ambulante Pflegedienste. Allerdings enthält § 1816 Abs. 6 BGB n.F. in Satz 2 auch eine Öffnungsklausel bei fehlender Interessenkollision.

 

Wichtige Änderung

Mitarbeiter jeglicher Träger, die den Betroffenen versorgen, sind grundsätzlich keine Bevollmächtigten, die eine Betreuung ausschließen. Bislang musste der Betroffene bei dem Träger wohnen oder untergebracht sein.

[7] BReg, BT-Drucks 19/24445 (Gesetzentwurf), 233.
[8] BReg, BT-Drucks 19/24445 (Gesetzentwurf), 233.

3. Andere Hilfen

 

Rz. 8

Die "anderen Hilfen", bislang etwas versteckt in § 1896 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BGB a.F., werden nun im Sinne des Versuches der Kosteneinsparung in § 1814 Abs. 3 Nr. 2 BGB n.F. besonders betont. Tatsächlich wären viele Betreuungen entbehrlich, wenn insbesondere die Sozialbehörden umfassend beraten würden, weil ein großer Teil der Arbe...

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