Rz. 92

 

Beispiel 1

Die Ehegatten sind zu je ½ Miteigentümer zu Bruchteilen einer Eigentumswohnung. Der Anwalt hat vom Ehemann den Auftrag, das Miteigentum auseinanderzusetzen. Keiner der Ehegatten will übernehmen. Es wird verkauft. Der Anwalt hat die Korrespondenz mit der Ehefrau geführt, den Kaufpreis mit dem Käufer ausgehandelt und den Notarvertrag geprüft.

 

Rz. 93

 

Beispiel 2

Die Ehegatten sind zu je ½ Miteigentümer zu Bruchteilen eines Hausgrundstücks. Die Ehefrau (anwaltlich vertreten) möchte unbedingt den Anteil des Ehemanns übernehmen. Sie bietet 100.000,00 EUR. Der Ehemann fordert 150.000,00 EUR. Es gelingt unter Mitwirkung des Anwalts, der die Ehefrau vertritt, eine Übernahme für 120.000,00 EUR zu vereinbaren.

 

Rz. 94

 

Beispiel 3

Die Ehegatten haben zwei Eigentumswohnungen, von denen jeder jeweils einen hälftigen Bruchteil hat. Es wird vereinbart, dass der Mann die eine, die Frau die andere Wohnung allein bekommt, die Hälften also entsprechend übertragen werden. Es wird weiter vereinbart, dass mit Durchführung dieses Tausches der Grundstücksanteile gleichzeitig der Zugewinnausgleich erledigt sein soll. Vorher waren 10.000,00 EUR Forderung auf Zugewinnausgleich der Frau streitig gewesen.

a) Gegenstandswert

 

Rz. 95

Der Gegenstandswert ist grundsätzlich der Wert des Anteils des Mandanten (ohne Schuldenabzug) an dem betreffenden Gegenstand, wenn der Anwalt den Anteil des Mandanten aus der gesamthändischen/Bruchteilsberechtigung herauslösen soll. Wenn der Mandant die Vermögensauseinandersetzung in der Weise betreiben möchte, dass er den Anteil des anderen Ehegatten erwirbt, ist dessen Anteil zu bewerten, also der Verkehrswert, der weder mit den gebotenen 100.000,00 EUR noch mit den geforderten 150.000,00 EUR (Beispiel 2 unter Rdn 93) identisch sein muss. Es kommt gelegentlich, wenn auch nicht häufig vor, dass die Bruchteilsanteile unterschiedlich hoch sind.[115]

 

Rz. 96

Ist jedoch Gegenstand der anwaltlichen Einigungsbemühungen nur die Art und Weise der als solcher unstreitigen Auseinandersetzung, ist ein Bruchteil des Verkehrswertes der Immobilie – orientiert an dem Interesse an der betreffenden "Art und Weise" der Auseinandersetzung – anzunehmen.[116]

 

Rz. 97

Gegenstandswert ist in allen drei Beispielsfällen der hälftige Wert der Immobilie, sei es, weil der Mandant die Hälfte veräußern will, sei es, weil der Mandant die andere Hälfte erwerben will. Im 3. Fall wird eine Ausgleichszahlung geleistet, die zugleich den Zugewinn abgelten soll. Es kommt nicht darauf an, auf was man sich geeinigt hat (wie unterschiedlich also die Werte der Wohnungshälften sind), sondern worüber man sich geeinigt hat. Das ist die Forderung auf 10.000,00 EUR Zugewinnausgleich. Diese kommt also beim Gegenstandswert dazu. Bei der Auseinandersetzung durch wechselseitige Übernahme von Anteilen ist nicht nach dem GNotKG zu bewerten. Es ist auch in diesen Fällen nach § 42 FamGKG (wenn eine Familiensache i.S.d. § 266 FamFG vorliegt), sonst nach § 3 ZPO der Wert zu bestimmen, also vom Auseinandersetzungsanspruch im gesetzlichen Schuldverhältnis auszugehen.[117] Werden die dinglich gesicherten Schulden auf den Übernahmepreis angerechnet, ist das nur eine Kaufpreiszahlung, die nicht eigens bewertet und vor allem nicht abgezogen wird. Ein gesonderter zusätzlicher Wert für die Übernahme von Schulden kommt nur dann in Betracht, wenn die Zurechnung dieser Schulden streitig gewesen ist oder wenn der Anwalt sonst mit diesen Schulden befasst wird (z.B. Unterstützung des Mandanten bei Ablösungsverhandlungen mit der Bank).

[115] Vgl. § 8 Rdn 85; Einzelheiten bei Schneider/Herget/Monschau, Rn 1142 ff.; ebenso Mümmler, JurBüro 1982, 834, 838.
[116] OLG München FamRZ 1986, 828; Schneider/Herget/Monschau, Rn 1145 "unechte Drittwiderspruchsklage": Schätzung des Interesses, die Versteigerung (jetzt) zu verhindern.
[117] OLG Köln AnwBl. 1988, 66: Der Wert des Interesses bestimmt sich nach dem Wert der wechselseitig zu übertragenden Grundstückshälften; diese Werte sind zusammenzurechnen.

b) Gebühren

 

Rz. 98

Die Einigungsgebühr fällt unter den gleichen Voraussetzungen an wie sonst auch. Bei der Auseinandersetzung von Immobilien ist freilich das Vorliegen von "Streit oder Ungewissheit" besonders sorgfältig zu prüfen.

 

Rz. 99

Zu den Beispielen 1–3 (s. Rdn 92–94): In allen Fällen ist die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) entstanden. Die Einigungsgebühr kann in allen diesen Fällen entstehen, da es sich um die Auseinandersetzung im Rahmen des gesetzlichen Schuldverhältnisses handelt, das Rechtsverhältnis also vorhanden ist, das geregelt werden soll. Es muss weiter Streit oder Ungewissheit bestehen.

Im 1. Beispielsfall trifft das nicht zu. Mit der Ehefrau bestand weder Streit noch Ungewissheit; mit dem Käufer wurde zwar der Kaufpreis ausgehandelt, bestand aber kein Rechtsverhältnis. Die Einigungsgebühr ist also nicht entstanden.
Im 2. Fall bestand Streit über den Kaufpreis innerhalb des bestehenden Rechtsverhältnisses. Die Einigungsgebühr ist entstanden.
Im 3. Fall bestand Streit oder Ungewissheit nur im Bezu...

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