Rz. 8

Eine Ausnahme besteht für Klagen vor Annahme der Erbschaft; diese sind nach § 1958 BGB unzulässig.

 

Hinweis

Ob der vorläufige Erbe trotz § 1958 BGB aktivlegitimiert ist, ist umstritten.[3] In der Regel wird in der Einleitung eines Aktivprozesses durch den vorläufigen Erben bereits eine konkludente Annahme der Erbschaft zu sehen sein. In diesem Fall stellt sich also die Frage gar nicht.

Relevant wird die Fragestellung daher vor allem in den Fällen, in denen sich die Prozessführung des vorläufigen Erben als Notverwaltungsmaßnahme im Sinne des § 1959 Abs. 2 BGB darstellt, wenn also die sofortige Klageerhebung notwendig ist, um einen Schaden für den Nachlass zu vermeiden. In diesem Fall aber sollte der vorläufige Erbe auch als aktivlegitimiert angesehen werden. Aus einer Schutzvorschrift zu seinen Gunsten, § 1958 BGB, kann nicht gefolgert werden, dass ihm ein solches Vorgehen verwehrt bleibt. Gerade die Ratio von § 1959 Abs. 2 BGB verlangt es, ihm ein Recht zur Aktivprozessführung zu geben. Sicher hat er aber keine Pflicht.

 

Rz. 9

Vor der Annahme der Erbschaft ist der Erbe oder Miterbe nur vorläufiger Erbe. Es steht noch nicht fest, ob seine (Mit-)Erbenstellung durch eine Ausschlagung mit Rückwirkung entfällt. Deshalb kann er zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Prozessen über Nachlassverbindlichkeiten überzogen werden. Eine Klage gegen den oder die (Mit-)Erben wäre vor der Annahme der Erbschaft mangels passiver Prozessführungsbefugnis des- bzw. derselben unzulässig, § 1958 BGB.

Dies ist zwar von Amts wegen zu beachten. Als unzulässig abgewiesen wird die Klage aber nur dann, wenn der Erbe die Erbschaft auch bis zur letzten Tatsacheninstanz noch nicht angenommen hat, die Ausschlagung also noch möglich wäre. Eine Annahme der Erbschaft hat vor Ablauf von sechs Wochen der Gläubiger zu beweisen. Da die Annahme spätestens nach Ablauf von sechs Wochen ab Kenntnis vom Erbfall fingiert wird, §§ 1943, 1944 BGB, wenn keine Ausschlagung erfolgt ist, was wiederum der vorläufige Erbe beweisen muss, und eine Ausschlagung danach nicht mehr möglich ist, ist dieser Fall äußerst unwahrscheinlich, zumal das Gericht den Rechtsstreit in aller Regel bis zum Ablauf der Ausschlagungsfrist analog §§ 148 ff. ZPO aussetzen wird.[4]

 

Hinweis

Wichtig wird § 1958 BGB damit wohl vor allem dann, wenn es zu einer Kettenausschlagung kommt. In diesem Fall beginnt die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB für jeden nachfolgend berufenen Erben nach § 1953 Abs. 2 BGB gesondert.

 

Rz. 10

Die Gläubiger können § 1958 BGB allerdings durch Beantragung der Anordnung einer Nachlasspflegschaft überwinden, §§ 1960 Abs. 3, 1961 BGB; denn der Pfleger ist aktiv und passiv prozessführungsbefugt, § 1960 Abs. 3 BGB.[5] Das Urteil ergeht nicht gegen den Pfleger, sondern gegen die unbekannten Erben und dient zunächst nur der Vollstreckung in den Nachlass, § 778 Abs. 1 ZPO. Zur Vollstreckung gegen den Erben kann und muss er umgeschrieben werden, § 727 ZPO (siehe hierzu unten Rdn 15).

Ebenso können die Gläubiger einen Titel zur Vollstreckung in den Nachlass erlangen, wenn bereits ein Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter oder Nachlasspfleger bestellt ist, §§ 2213 Abs. 2, 1960 Abs. 3 BGB.[6]

Eine Vollstreckung in das Eigenvermögen scheidet aber in allen Fällen aus. Insoweit ist der Erbe also vor der Annahme der Erbschaft in jedem Fall abgesichert.

[3] MüKo/Leipold, § 1959 BGB Rn 11.
[4] Vgl. zu dieser Möglichkeit FAKomm-ErbR/Löhnig, § 1958 BGB Rn 1.
[6] Zur Frage der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen bei Nachlasspflegschaft, Haas, ZEV 2009, 270.

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