Rz. 161

Schon aus den Gründen des neuen Berufungsrechtes und der eingeschränkten neuen Tatsachenfeststellung in der Berufungsinstanz gem. § 529 ZPO sowie der nach § 520 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 531 ZPO beschränkten Möglichkeit, neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz vorzubringen, ist erforderlich, dass der Bevollmächtigte noch sorgfältiger als vor der ZPO-Reform darauf achtet, dass jede einzelne beweisbedürftige Tatsache unter Beweis gestellt wird.

 

Rz. 162

 

Hinweis

Von einer Vielzahl von Instanzgerichten wird es nicht akzeptiert, wenn ein zusammenhängender Sachverhalt dargestellt und dann in seiner Gesamtheit durch verschiedene Beweismittel, insbesondere auch Zeugen, unter Beweis gestellt wird. Dabei lässt sich regelmäßig nicht erkennen, welche Zeugen oder welche Beweismittel für welche konkrete Tatsache benannt werden sollen und in welcher Beziehung sie hierzu stehen.

 

Rz. 163

Die Wahl einer klaren Struktur des Vortrages, wonach der Bevollmächtigte zunächst die Tatsache darstellt und diese dann unter Beweis stellt, vermeidet auch unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten, dass er ein Beweisangebot "vergisst", sodass ein entsprechender Aufbau der Schriftsätze auch ein Element der anwaltlichen Selbstkontrolle sein kann. Es ist auch prozessökonomisch für den Bevollmächtigten, da dann der von ihm zu prüfende Beweisbeschluss ebenso wenig aufgebläht wird, wie die Beweisaufnahme selbst. Auch bei der Angabe "Beweis: wie vor" sollte darauf geachtet werden, dass die zutreffende Bezugnahme erfolgt.

 

Rz. 164

Im Hinblick auf das Gebot der Prozessförderung nach § 282 ZPO und der Präklusionsvorschriften nach § 296 ZPO sollte der Beweisantrag bereits in der Klageschrift oder der Klageerwiderung oder in einem sonst frühestmöglich einzureichenden Schriftsatz enthalten sein. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Tatsache überhaupt streitig wird.

 

Rz. 165

Zum einen hat diese Vorgehensweise den bereits dargestellten Vorteil, dass im Hinblick auf Vergleichsverhandlungen und gerichtliche Vergleichsvorschläge die Stärke der eigenen Beweisposition präsentiert wird, was sich jedenfalls auch in einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag niederschlagen kann. Vor allem wird aber verhindert, dass das Gericht das Beweisangebot wegen eines verspäteten Vortrages nach § 296 ZPO zurückweist. Zudem kann sich die späte Benennung eines Zeugen auch auf die Beweiswürdigung auswirken, da dies als prozesstaktisch aufgefasst werden kann, sodass der späte Zeitpunkt ggf. erläutert werden sollte.

 

Rz. 166

 

Beispiel

So ist die in der Praxis häufig anzutreffende Ansicht, dass der Rechtsanwalt einen Zeugen für eine streitige Tatsache noch in der mündlichen Verhandlung als "präsenten Zeugen" präsentieren könne und damit eine Präklusion vermieden wird, unrichtig.

Auch in diesem Fall können der Vortrag und das Beweismittel nämlich als verspätet zurückgewiesen werden, wenn der Gegner einwendet, dass er bei einer frühzeitigen Bekanntgabe des Beweismittels gegenbeweislich Zeugen oder andere Beweismittel hätte benennen können oder auch unmittelbar benennt.

In diesem Fall wird durch die Gestellung des präsenten Zeugen nämlich der Rechtsstreit ohne Weiteres verzögert. Kann die spätere Stellung des Zeugen nicht genügend entschuldigt werden, ist dessen Vernehmung nach § 296 Abs. 1 und 2 ZPO zurückzuweisen.

 

Rz. 167

 

Tipp

Hat der Gegner bereits einen Zeugen benannt, den auch die eigene Partei als Zeugen heranziehen möchte, so begründet dies für sich allein noch nicht den Verzicht auf die eigene Benennung des Zeugen.

Zum einen muss beachtet werden, wer die tatsächliche Beweislast für die beweisbedürftige Tatsache trägt. Liegt die Beweislast beim eigenen Mandanten, so stellt die Benennung des Zeugen durch den Gegner nur den Gegenbeweis dar, sodass die eigene Benennung zwingend ist. Zwar wird dies von den Gerichten in der Praxis nicht immer trennscharf umgesetzt, gleichwohl stellt es einen Haftungsfall dar, wenn das Gericht dies beachtet. Ein Fehler, der aufgrund des eingeschränkt zulässigen Berufungsvorbringens nur schwer zu korrigieren ist.

Aber auch für den Fall, dass der Zeuge selbst nur gegenbeweislich benannt werden sollte, empfiehlt sich kein Verzicht auf dessen Benennung, auch wenn der Benennung regelmäßig eine teilweise Auslagenvorschusspflicht folgt. Durch die Tatsache, dass beide Parteien den Zeugen benannt haben – was regelmäßig aus dem Beweisbeschluss hervorgeht –, ergibt sich für den Zeugen nämlich, dass er nicht Zeuge einer Partei ist, sondern ein neutrales Beweismittel, welches beiden Parteien zur Verfügung steht. Anderenfalls ist immer wieder feststellbar, dass sich Zeugen der sie benennenden Partei verpflichtet fühlen und ihre Aussage dort vage halten, wo dies der benennenden Partei schaden würde.

 

Rz. 168

Bei der Darstellung der beweisbedürftigen Tatsache ist darauf zu achten, dass diese auch als Tatsache und nicht als Rechtsansicht dargelegt wird.

 

Rz. 169

 

Beispiel

So ist es nicht ausreichend, wenn dargelegt wird, dass "der Zeuge bei dem Vertragssc...

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