Rz. 363

Das Ergebnis des Sachverständigengutachtens und damit der Beweisaufnahme hängt wesentlich auch davon ab, dass der Sachverständige über die erforderliche Sachkunde verfügt.

 

Rz. 364

Die Auswahl des Sachverständigen wird nach § 404 ZPO grundsätzlich von dem Prozessgericht vorgenommen.

 

Rz. 365

Nach § 404 Abs. 3 ZPO soll das Prozessgericht dabei grundsätzlich auf Sachverständige zurückgreifen, die öffentlich bestellt sind, und andere Sachverständige nur dann ernennen, wenn besondere Umstände es erfordern.

Vor der Ernennung können die Parteien gehört werden, § 404 Abs. 2 ZPO.

 

Rz. 366

 

Tipp

Nicht selten lässt sich feststellen, dass die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen überlastet sind und deshalb die Begutachtung mehrere Monate, teilweise auch über ein halbes Jahr dauert. Der Bevollmächtigte sollte deshalb die voraussichtliche Bearbeitungsdauer über das Gericht beim Sachverständigen abfragen. Zeigt sich hier eine sehr lange Bearbeitungsdauer oder ist diese dem Bevollmächtigten bezogen auf einen bestimmten Sachverständigen bekannt, sollte auch die Heranziehung eines nicht öffentlich bestellten oder vereidigten Sachverständigen vorgeschlagen werden.

Oft liegt aus einem vorangegangenen Ermittlungsverfahren (z.B. ein unfallanalytisches Gutachten) oder einem anderweitigen gerichtlichen Verfahren bereits ein Gutachten vor. Dessen Beiziehung gem. § 411a ZPO sollte zur Verfahrensbeschleunigung zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt werden. Voraussetzung ist, dass die Beweisfrage identisch ist.[225]

 

Rz. 367

Das Gericht kann nach § 404 Abs. 4 ZPO die Parteien bzw. die Bevollmächtigten auffordern, Personen zu bezeichnen, die geeignet sind, als Sachverständige vernommen zu werden.

 

Rz. 368

 

Tipp

Der Bevollmächtigte sollte vermeiden, schon mit dem Beweisantritt einen geeigneten Sachverständigen zu benennen, da dies die Ablehnung des Sachverständigen durch den Gegner herausfordert. Vielmehr sollte zunächst eine entsprechende Aufforderung durch das erkennende Gericht abgewartet werden. Sodann sollten zwei bis drei geeignete Sachverständige zur Auswahl gestellt werden. Bei großen Gesellschaften, die häufig den Dienst von Sachverständigen in Anspruch nehmen, sollte am besten sogar auf die Benennung von Gutachtern verzichtet werden. Der Gegner hat hier regelmäßig den Eindruck, dass die vorgeschlagenen Sachverständigen in Beziehung zur Gesellschaft stehen, sodass dem Gutachter mit kaum gebotener Skepsis begegnet wird. Dies berührt nicht das Recht, gegen einen vom Gegner oder von dem Gericht vorgeschlagenen Sachverständigen Einwände zu erheben.

 

Rz. 369

Soweit auf die Auswahl des Sachverständigen Einfluss genommen werden soll, kann der Bevollmächtigte mehrstufig vorgehen:

 

Rz. 370

Zunächst ist darzulegen, welche besonderen Anforderungen an die Sachkunde des Sachverständigen zu stellen sind, damit das Gericht dies bei seiner Auswahl berücksichtigt.

 

Rz. 371

 

Beispiel

Grundsätzlich soll der in einem Arzthaftungsprozess beauftragte Sachverständige dem medizinischen Fachgebiet angehören, auf dem der in Anspruch genommene Arzt tätig war.[226]

 

Rz. 372

Sollen von vornherein bestimmte Sachverständige, die über die erforderliche Sachkunde verfügen, ausgeschlossen werden, so sollten diese Bedenken bereits vor der Auswahl der Sachverständigen geltend gemacht werden. Dies führt in der Praxis dazu, dass das Gericht auf die Benennung solcher Sachverständiger verzichtet, um spätere Auseinandersetzungen um die Sachkunde, die fachliche Eignung und die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu vermeiden. Demgegenüber sind die Gerichte selten bereit, die einmal erfolgte Ernennung eines Sachverständigen rückgängig zu machen.

 

Rz. 373

Wird ein Sachverständiger ernannt, gegen den die Partei oder der Bevollmächtigte Einwände hat, so können diese im Wege der Gegenvorstellung dem Prozessgericht unterbreitet werden. Dies kann mit dem Antrag verbunden werden, dass ein anderer Sachverständiger mit der Begutachtung beauftragt wird.

 

Rz. 374

 

Hinweis

Insbesondere bei medizinischen Begutachtungen ist seitens des Bevollmächtigten zu prüfen, ob der von dem Gericht vorgesehene oder bereits bestellte Sachverständige einer bestimmten "Schule" angehört, die eine offene Beantwortung der Beweisfrage nicht mehr erwarten lässt. Zu diesem Zwecke kann es erforderlich sein, festzustellen, ob der Sachverständige bereits mit einschlägigen Veröffentlichungen in Erscheinung getreten ist.

 

Rz. 375

 

Tipp

Über das Internet hat die Partei oder auch der Bevollmächtigte die Möglichkeit, einen Sachverständigen für die Beweisfrage zu finden und sich zugleich über dessen Grundhaltung zu informieren. Insoweit ist es häufig ausreichend, den Namen des Sachverständigen in eine der gängigen Suchmaschinen einzugeben.

Auch kann so ein Sachverständiger ermittelt und vorgeschlagen werden, der in seiner Grundauffassung den Vorstellungen der eigenen Partei nahe kommt. Zugleich können hier Anhaltspunkte gefunden werden, um einen von dem Prozessgegner vorgeschlagenen Sachverständigen abzulehnen, wen...

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