Rz. 6

Der Beziehung zwischen Patient und Arzt oder Krankenhausträger liegt im Regelfall ein Vertrag zugrunde: Vorrangige Anspruchsgrundlage der Haftung von Arzt und/oder Krankenhausträger ist daher der Behandlungsvertrag mit dem Patienten. Kann ein Vertrag nicht abgeschlossen werden (insbesondere in Notsituationen), ist auf das quasivertragliche Rechtsverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) zurückzugreifen.

 

Rz. 7

Daneben tritt die deliktische Haftung. Während die vertragliche Beziehung an die vereinbarte Behandlungsaufgabe anknüpft, gründet die deliktische Haftung auf der vom Behandelnden übernommenen Garantenstellung. Bei fehlerhaftem Handeln eines Notarztes im Rettungsdienst kommt schließlich Amtshaftung in Betracht.

I. Behandlungsvertrag

 

Rz. 8

Durch das Patientenrechtegesetz wurde der Behandlungsvertrag als neuer besonderer Dienstvertragstypus kodifiziert. Gemäß § 630a BGB ist der Behandelnde zur Leistung der versprochenen Behandlung verpflichtet, die nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen hat, soweit nichts anderes vereinbart ist. Die Einordnung des Behandlungsvertrags als Dienstvertrag entspricht der früheren allgemeinen Auffassung.[10] Denn der Arzt schuldet nicht einen bestimmten Heilerfolg, sondern den Einsatz seines fachlichen Könnens gemäß den ärztlichen Berufsregeln zum Zweck der Heilung des Patienten. Nur die schuldhafte Verletzung dieser vertraglichen Pflichten kann eine Schadensersatzpflicht des Arztes auslösen; der Misserfolg allein ist weder haftungsbegründend noch – jedenfalls im Regelfall – ein Beweis für schlechte Behandlungsqualität. Als werkvertraglich zu qualifizieren sind aber rein technische Leistungen (z.B. Herstellung einer Zahnprothese) und allgemein Leistungen, die als Ergebnis eines vollständig kontrollierbaren Prozesses erbracht werden.[11]

 

Rz. 9

Bei einer Berufsausübungsgemeinschaft oder Gemeinschaftspraxis, die auch nach außen hin – z.B. auf Praxisschild, Stempel, Briefbogen – einheitlich auftritt, kommt der Behandlungsvertrag in der Regel zwischen dem Patienten und der Gemeinschaftspraxis zustande; alle Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis haften für deren Verpflichtungen entsprechend § 128 HGB unbeschränkt persönlich.[12] Eine gemeinsame Haftung nach den Grundsätzen zur Gemeinschaftspraxis besteht auch dann, wenn die Ärzte zugleich als Belegärzte im gleichen Krankenhaus tätig sind und die in der Praxis begonnene Behandlung dort fortgesetzt wird.[13] Dagegen kommt es bei der Praxisgemeinschaft, in der nur Personal und Praxiseinrichtung gemeinsam genutzt werden, im Regelfall zum Vertragsschluss nur mit dem behandelnden Arzt.[14] Für die eingetragene Partnerschaft gilt das Haftungsprivileg des § 8 Abs. 2 PartGG: Neben der Partnerschaft haftet nur der mit der Behandlung befasste Partner persönlich. Bei der Behandlung in einem Medizinischen Versorgungszentrum wird die Trägergesellschaft Vertragspartner des Patienten, während die dort tätigen Ärzte Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 278 BGB sind.[15] Bei Behandlung eines Kassenpatienten in der Ambulanz eines Krankenhauses entsteht eine Vertragsbeziehung zu dem behandelnden Arzt bzw. dem die Ambulanz leitenden Chefarzt, nicht auch zum Krankenhaus.[16]

 

Rz. 10

Bei Urlaubsvertretung kommt der Behandlungsvertrag ausschließlich mit dem Praxisinhaber zustande: Der vertretende Arzt haftet lediglich deliktisch, sein Fehlverhalten wird dem Praxisinhaber gem. § 278 BGB zugerechnet.[17]

[10] Vgl. MüKo/Wagner, § 630a Rn 3; das gilt nach der Gesetzesbegründung auch für Eingriffe zu kosmetischen Zwecken, vgl. BT-Drucks 17/10488, S. 17.
[11] Vgl. MüKo/Wagner, § 630a Rn 7.
[12] Vgl. Laufs/Kern/Rehborn, § 22 Rn 30 und § 35 Rn. 32; anders noch BGHZ 144, 296, 308, BGHZ 165, 36,40, wonach der ­Behandlungsvertrag mit allen Ärzten der Gemeinschaftspraxis zustande kommt.
[13] BGHZ 144, 296, 308 ff.
[14] Laufs/Kern/Rehborn, § 44 Rn 6.
[15] Laufs/Kern/Rehborn, § 44 Rn 6.
[16] BGHZ 165, 290; Martis/Winkhart, A 80.
[17] BGHZ 144, 296, 310; BGH, Urt. v. 13.1.1998 – VI ZR 242/96, NJW 1998, 1780, 1782.

II. Besonderheiten der stationären Krankenhausbetreuung

 

Rz. 11

Komplexere Vertragsgestaltungen und Haftungszurechnungen finden sich bei der stationären Krankenhausbetreuung, die durch das Patientenrechtegesetz nicht kodifiziert wurde. Auch hier liegt dem Behandlungsverhältnis in der Regel ein schuldrechtlicher Behandlungsvertrag zwischen Patient und Behandlungsträger zugrunde, unabhängig davon, ob der Krankenhausträger – der bei Universitätskliniken die Universität oder das Land sein kann[18] – privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich organisiert ist. Typisch sind die folgenden Gestaltungsformen:[19]

 

Rz. 12

Regelform ist der einheitliche, sog. totale Krankenhausaufnahmevertrag, bei dem allein der Krankenhausträger alle Leistungen im ärztlichen wie im pflegerischen Bereich schuldet. Er muss sich das Verschulden sämtlicher in Erfüllung der Behandlungsverpflichtung tätigen Klinikmitarbeiter nach § 278 BGB zurechnen lassen. Für schuldhafte Fehler leitender Krankenhausärzte hafte...

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