Rz. 23

Auslöser der gesamten Diskussion sind Fälle der folgenden Art, in denen eine Einmalzahlung eine Rolle spielt:

 

Beispiel 1:

Der Ehemann erhält eine Einmalzahlung (z.B. Abfindung, Tantieme, Steuerrückzahlung) von 30.000 EUR.

Zwischen den Ehegatten wird zuerst der Unterhalt festgesetzt. Dabei wird die Einmalzahlung auf das Durchschnittseinkommen umgelegt (z.B. mit mtl. 1.000 EUR) und danach der geschuldete Unterhalt errechnet und durch eine Vereinbarung der Ehegatten festgelegt.

Zehn Monate später wird der Scheidungsantrag zugestellt. Auf dem Konto des Ehemannes befindet sich noch ein Restbetrag von 20.000 EUR aus dieser Einmalzahlung.

Die Ehefrau stellt diese 20.000 EUR in ihre Zugewinnausgleichsberechnung ein.

Wird jetzt ein gerichtliches Verfahren eingeleitet und dort der Zugewinn errechnet, schlagen diese 20.000 EUR beim Mann zu Buche. Sind keine weiteren Vermögensbeträge vorhanden, müsste der Ehemann 10.000 EUR an die Frau ausgleichen.

Hier ist es Aufgabe des Anwaltes des Ehemannes, dies unter Hinweis auf das Doppelverwertungsverbot zu verhindern. Denn die auf dem Konto zum Stichtag noch vorhandenen 20.000 EUR sind ja bereits für den festgesetzten Unterhalt "verplant". Entfaltet hier der Anwalt keine entsprechenden Aktivitäten zum Schutze seines Mandanten, wird dieser im Zugewinnverfahren zur Zahlung von 10.000 EUR verpflichtet und muss außerdem weiterhin Unterhalt in der festgesetzten Höhe zahlen. Denn das Gericht hat keine Kenntnis von der zwischen den Ehegatten zuvor getroffenen Regelegung zum Unterhalt, wenn der entsprechende Sachvortrag nicht ausdrücklich ins konkrete gerichtliche Verfahren eingebracht wird (Parteimaxime!). Unterlässt der Anwalt also diesen Sachvortrag im Zugewinnausgleichsverfahren, entsteht dem Mandanten ein Schaden und der Anwaltsregress ist nicht mehr fern!

Bei dieser Fallgestaltung ist es also vordringliche Aufgabe des Anwaltes des Unterhaltspflichtigen

bereits bei der Unterhaltsfestsetzung sich einen "Merker" zu setzen, dass die darin eingerechnete Einmalzahlung – soweit sie zum Stichtag noch als (restliches) Kapital bei seinem Mandanten vorhanden ist – nicht uneingeschränkt dem Zugewinn unterfallen kann
im Rahmen der Zugewinnberechnung diesen Umstand zu berücksichtigen
und ggf. im gerichtlichen Verfahren den Sachverhalt vorzutragen und auf die Berücksichtigung dieser Besonderheiten bei der Berechnung des Ausgleichsbetrages zu dringen.
 

Rz. 24

Aber auch der Anwalt der Unterhaltsberechtigten sollte diese Umstände im Auge behalten, um nicht Gefahr zu laufen, einen zu hohen Zugewinnausgleichsbetrag zu errechnen und ins gerichtliche Verfahren einzubringen, der dann mit einer negativen Kostenfolge für seine Mandantin abgewiesen werden könnte.

 

Rz. 25

Praktisch auftreten kann das Problem aber auch bei umgekehrter Fallgestaltung.

 

Beispiel 2:

Der Ehemann erhält eine Einmalzahlung (z.B. Abfindung, Tantieme, Steuerrückzahlung) von 30.000 EUR.

Zwischen den Ehegatten wird zuerst der Zugewinn geregelt und dabei dieser Betrag ausgeglichen. Sind keine weiteren Vermögensbeträge vorhanden, müsste der Ehemann 15.000 EUR an die Ehefrau ausgleichen.

Zehn Monate später streiten sich die Ehegatten über Unterhalt. In diesem Verfahren trägt die Ehefrau unbestritten vor, der Ehemann habe eine Einmalzahlung (z.B. Abfindung, Tantieme, Steuerrückzahlung) von 30.000 EUR erhalten.

Das Gericht legt die Einmalzahlung auf das Durchschnittseinkommen um (z.B. mit mtl. 1.000 EUR) und errechnet danach den geschuldeten Unterhalt.

Auch hier ist es Aufgabe des Anwaltes des Ehemannes, dies durch einen entsprechenden Einwand unter Hinweis auf das Doppelverwertungsverbot zu verhindern. Denn die erhaltene Einmalzahlung von 30.000 EUR ist ja bereits durch den Zugewinnausgleich "verbraucht". Entfaltet hier der Anwalt keine entsprechenden Aktivitäten zum Schutze seines Mandanten, wird in diesem Fall der Ehemann verpflichtet, höheren Unterhalt zu zahlen. Denn das Gericht hat auch hier ohne entsprechenden Sachvortrag keine Kenntnis von der zwischen den Ehegatten zuvor getroffenen Regelung zum Zugewinnausgleich (Parteiverfahren!).

 

Rz. 26

Der sorgfältigen anwaltlichen Beratung kommt daher in derartigen Fällen eine besondere Bedeutung zu. Ohne einen entsprechenden Sachvortrag des Verfahrensbevollmächtigten im gerichtlichen Verfahren bleiben derartige Doppelanrechnungen – zum Nachteil des Mandanten – verborgen und es kann zu erheblichen Falschberechnungen bei Zugewinn und/oder Unterhalt kommen. Es ist Aufgabe des Anwalts, spätestens im gerichtlichen Verfahren darauf hinzuweisen, dass in einem vorhergehenden Verfahren oder in einer früheren Vereinbarung eine bestimmte Position bereits verwertet worden ist und darauf zu dringen, dass diese nicht noch einmal berücksichtigt wird (Regressgefahr!).

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