Rz. 12

Im Regelfall wird mit der Zustellung des Scheidungsantrags deutlich, dass der antragstellende Ehegatte die Ehe als endgültig gescheitert ansieht.[15] Entsprechendes kann aus der Zustimmung zum Scheidungsantrag des Gegners hergeleitet werden. Von diesem Zeitpunkt an ist dann nicht mehr nur der (niedrige) angemessene Wohnwert, sondern die objektiv erzielbare Miete für die konkrete Wohnung bzw. das konkrete Haus als Wohnvorteil unterhaltsrechtlich anzusetzen, also der Vermietungswert.

 

Rz. 13

Denn den in der Wohnung verbleibenden Ehegatten trifft in diesem Zeitraum grundsätzlich die ihm zumutbare unterhaltsrechtliche Obliegenheit eine anderweitige wirtschaftlich angemessene Nutzung des für ihn zu großen Hauses zu verwirklichen.[16] Ausnahmen können greifen, wenn die Verwertung des Hauses objektiv unmöglich oder unwirtschaftlich ist[17] oder vom unterhaltsberechtigten Ehegatten verhindert wird.[18]

 

Rz. 14

Die Verletzung dieser Verwertungsobliegenheit führt dazu, dass in der Unterhaltsberechnung die volle objektive erzielbare Miete (nach Abzug der anzuerkennenden Unkosten der Wohnung) als fiktives Einkommen zur Anrechnung kommt.

 

Rz. 15

 

Praxistipp:

Die Einreichung des Scheidungsantrags oder die Zustimmung zum Scheidungsantrag des Gegners kann also hier – nicht selten unvorhergesehene – Auswirkungen auf die Unterhaltsberechnung zeigen!
Der Zeitpunkt kann sich verschieben (siehe Rdn 13).
Der erzielbare Mietwert ist vielfach nicht ohne Sachverständigengutachten feststellbar.

Angesichts der meist recht hohen Kosten eines solchen Sachverständigengutachtens sollte der beratende Anwalt immer sorgfältig prüfen, ob sich die Einholung eines Gutachtens tatsächlich lohnt.

Mitunter liegen die Vorstellungen beider Ehegatten nicht so weit auseinander, dass sich das auf das Ergebnis der Unterhaltsberechnung tatsächlich sehr deutlich auswirkt.
Zu bedenken ist weiter, dass ein jetzt erstrittener Titel über den Trennungsunterhalt lediglich für einen überschaubaren Zeitraum bis zur Rechtskraft der Scheidung wirkt.
Zudem muss die Wohnung oder das Haus ohnehin in vielen Fällen aus wirtschaftlichen Gründen verkauft werden (siehe § 3 Rdn 108).
Letztlich sollte bedacht werden, dass das Gericht die Kosten eines Sachverständigengutachtens durchaus abweichend von den übrigen Verfahrenskosten verteilen kann. Wer also einen überhöhten Wohnwert behauptet, der vom Gutachter nicht bestätigt wird, muss durchaus damit rechnen, im Rahmen der gerichtlichen Ermessensentscheidung nach § 243 FamFG die Kosten des Gutachtens auferlegt zu bekommen, auch wenn der Antrag ansonsten weitgehend erfolgreich beschieden wird (vgl. § 96 ZPO).
[16] BGH FamRZ 2000, 950; BGH FamRZ 1990, 269; siehe auch BGH v. 19.3.2014 – XII ZB 367/12, FamRZ 2014, 923 mit Anm. Götz.
[17] Schürmann in NK-BGB, 2014, Vor §§ 1577, 1578 Rn 114.
[18] Vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1049.

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