Rz. 35

& Vorbemerkung

Da Gewährung von Grundsicherungsleistungen einerseits die richtige Ermittlung des den Beteiligten zustehenden Bedarfs und andererseits die korrekte Berücksichtigung der vorhandenen Einkünfte voraussetzt, ist eine Überprüfung häufig umfangreich. Einige der Berechnungsfaktoren, die sich aus dem Gesetz ergeben, sind dabei objektiv ermittelbar, andere Berechnungsfaktoren, wie beispielsweise die Bewertung der jeweils anzuerkennenden Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) oder der zu berücksichtigenden Einnahmen, sind nur anhand interner Tabellen und/oder der Angaben des Mandanten festzustellen.

 

Rz. 36

& Zu 1.

a) Fristberechnung

Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat (nicht vier Wochen!). Die Frist knüpft an die Bekanntgabe des Grundsicherungsbescheids an. Der Bescheid gilt gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (Drei-Tages-Fiktion). Dies gilt nach allgemeiner Auffassung auch dann, wenn der Bescheid tatsächlich früher zugegangen ist.

 

Beispiel zur Fristberechnung

Die Behörde gibt den Bescheid per Einschreiben am Donnerstag, 15.1., zu Post, tatsächlich zugestellt wird der Bescheid am Samstag, 17.2. Nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X gilt als Bekanntgabe Sonntag, der 18.1. (Drei-Tages-Fiktion), sodass die Frist am 18.2. um 24.00 Uhr endet.

Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung, so gilt gemäß § 66 Abs. 2 SGG die Jahresfrist. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist gemäß § § 36 SGB X nur ordnungsgemäß, wenn sie folgende Mindestangaben enthält:

Bezeichnung des Rechtsbehelfs
Benennung der zuständigen Widerspruchsbehörde
Sitz der den Bescheid erlassenden Behörde
Frist
Form
 

Rz. 37

b) Folgen der Fristversäumnis

Wird der Widerspruch nicht fristgemäß eingereicht, so ist er unzulässig. Ggf. kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.[5]

 

Rz. 38

c) Form des Widerspruchs

§ 84 SGG regelt die einzuhaltenden Formalien. Demgemäß ist die Einlegung zur Niederschrift der den Bescheid erlassenden Behörde zulässig, ansonsten gilt ein Schriftformerfordernis im Sinne des § 126 BGB, wobei grundsätzlich auch die elektronische Einreichung unter den Voraussetzungen des § 36a Abs. 2 SGB I zulässig wäre. Demnach bedarf es für die elektronische Form zwingend einer qualifizierten elektronischen Signatur, was auch bei Einreichung über das beA ohne Ausnahme gilt, da § 36a Abs. 2 SGB I keine dem § 130a Abs. 3 ZPO entsprechende Regelung aufweist.

 

Rz. 39

& Zu 2.

Kernbereich des Widerspruchsverfahrens ist die Begründung. Sie ist zwar nicht vorgeschrieben, indes sinnvoll, wenn der Widerspruch zum Erfolg führen soll. Im Regelfall ist es notwendig, vor der Begründung des Widerspruchs Akteneinsicht beim Jobcenter zu beantragen. Nur so kann sicher festgestellt werden, welche Berechnungsgrundlagen für die Behörde maßgeblich waren.

Folgende zu überprüfende Einzelpunkte enthält die Leistungsberechnung:

Ist die zunächst die Höhe der Grundsicherungsleistungen korrekt berechnet worden?

Zunächst ist die Grundfrage zu beantworten, ob ursprünglich die Leistungen nach dem SGB II (vergleichbare Maßstäbe gelten auch für das SGB XII) korrekt berechnet und zugesprochen wurden. Insbesondere muss geprüft werden, aus wie vielen Personen die sog. Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II besteht, weil auf der Bedarfsseite für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ein eigener Bedarf (Regelbedarf und ggf. auch Mehrbedarf) angesetzt werden muss.

 
Regelbedarfsstufe Bis 12/2022 Ab 1/2023
RBS 1: Volljährige Alleinstehende 449 Euro 502 Euro
RBS 2: Volljährige Partner 404 Euro 451 Euro
RBS 3: 18 bis 24-Jährige im Elternhaus 360 Euro 402 Euro
RBS 4: Kinder im Alter von 14 bis 17 Jahren 376 Euro 420 Euro
RBS 5: Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren 311 Euro 348 Euro
RBS 6: Kinder bis 5 Jahre 283 Euro 318 Euro

Mehrbedarfe gibt es u.a. bei Schwangerschaft ab der 13. Schwangerschaftswoche, für Alleinerziehende, bei kostenaufwendiger Ernährung, für Menschen mit Behinderung sowie für die Kosten der Warmwasserbereitung, sofern diese nicht über Zentralheizung erfolgt.

Sollte die ursprüngliche Bewilligung nicht korrekt gewesen sein, so muss ggf. der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X in Erwägung gezogen werden.

Sind Änderungen eingetreten?

Falls die ursprüngliche Bewilligung jedoch richtig war, so muss für ein Erstattungsbegehren des Grundsicherungsträgers eine Rechtsgrundlage gegeben sein. Diese liegt nicht im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, sondern tatsächlich in der Änderung der ursprünglichen Bewilligung, welche einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellt. Der Änderungsbescheid ist somit notwendige Voraussetzung für ein rechtmäßiges Erstattungsbegehren.

Die Zulässigkeit, einen Verwaltungsakt abzuändern bzw. aufzuheben, bestimmt sich nach den §§ 45 ff. SGB X, wobei Verwaltungsakte mit Dauerwirkung gemäß § 48 SGB X bei Änderung der Verhältnisse sowohl mit Wirkung für die Zukunft als auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden können. Im Bereich des Grundsicherungsrec...

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