Rz. 21

Der befürchtete Streit über die Geschäftsgebühr, die über der nicht arithmetischen Mittelgebühr von 1,3 liegt, hat sich letztlich bestätigt. Nach der Stellungnahme des DAV und der BRAK ist die Begründung als Regel-/Schwellengebühr systemwidrig und ist mit der Regelung des § 14 RVG nicht in Einklang zu bringen. Dennoch ist keine Änderung der VV 2300 RVG in den weiteren Neuregelungen erfolgt und auch in absehbarer Zukunft wohl nicht mehr zu erwarten.

Demzufolge bleibt es weiterhin dabei, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war bzw. überdurchschnittlich ist. Doch was ist denn ein durchschnittlicher Fall? Im Familien- und Erbrecht kann man sich ohne weiteres auf den Standpunkt stellen, dass Mandate aus diesen Bereichen grundsätzlich immer überdurchschnittliche Schwierigkeiten in der Beurteilung der Rechtslage mit sich bringen. Allerdings steht dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der Gebühr ein Spielraum von 20 % über 1,3 der Geschäftsgebühr zu, welcher bei Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens der gerichtlichen Überprüfung entzogen ist.[27] Es liegt auf der Hand, dass um diese Begriffe erheblicher Streit zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten entstehen kann. Somit kann auch hier wiederum nur zu einer Honorarvereinbarung geraten werden.

 

Rz. 22

Nach anderer Ansicht[28] muss man wegen der Mittelgebühr wiederum differenzieren. So beträgt die Mittelgebühr bei umfangreichen und schwierigen Mandaten 1,9 (Mittelwert von 1,3–2,5) und bei nicht umfangreichen und nicht schwierigen 0,9 (Mittelwert von 0,5–1,3).

Diese Ansicht wird damit begründet, dass die Gesetzbegründung ausdrücklich den Wert von 1,3 nicht als Mittelgebühr bezeichnet, sondern als Regelgebühr. Eine derartige Sichtweise ist abzulehnen.

Nach hiesiger Auffassung wurde nur deshalb der Begriff Regelgebühr gewählt, weil eben 1,3 nicht die Mitte von 0,5 und 2,5 ist. Letztendlich ist in der Praxis eine Mittelgebühr ebenfalls eine Regelgebühr. In der Begründung findet sich auch kein Argument, warum nicht grundsätzlich von einer 1,3 auszugehen ist. Vielmehr wurde in der Begründung nur erklärt, warum man nicht von der Mittelgebühr von 1,5 auszugehen hat.

Die wesentliche Erneuerung seit Geltung des RVG ist, dass sämtliche Tätigkeiten in FamFG-Verfahren und damit auch in nachlassgerichtlichen Verfahren einheitlich eine Verfahrensgebühr nach VV 3100 RVG auslösen. Im Erbrecht führt dies zu einer tatsächlichen Erhöhung des Gebührenaufkommens.

[27] BGH AnwBl 2011, 402 ff.; Bonefeld/Hähn/Otto, § 2 Rn 7; Schneider/Wolf, VV 2300 Rn 23.
[28] Braun, S. 62.

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