Rz. 212

Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

Nach § 41 Abs. 3 Nr. 5 S. 2 StVO schreiben Richtungspfeile auf der Fahrbahn unmittelbar vor einer Kreuzung oder Einmündung die künftige Fahrtrichtung auf der folgenden Kreuzung oder Einmündung vor, wenn zwischen ihnen Fahrstreifenbegrenzungen (§ 41 Abs. 3 Nr. 3 StVO, Zeichen 295) oder Leitlinien (§ 42 Abs. 6 StVO, Zeichen 340) angebracht sind. Zwar gebietet § 9 Abs. 1 S. 2 StVO dem Rechtsabbieger, sich möglichst weit rechts einzuordnen, woraus zu Recht hergeleitet wird, dass grundsätzlich ein Vortrittsrecht des äußerst rechts eingeordneten Fahrzeugs gegenüber einem weiter links fahrenden Fahrzeug besteht. Der weiter links eingeordnete Nachfolgeverkehr könnte sonst, wenn die nach rechts abzweigende Straße nur einspurigen Verkehr aufnehmen könnte, den ordnungsgemäß eingeordneten Rechtsabbieger am Abbiegen so lange hindern, bis alle links befindlichen Fahrzeuge abgebogen wären. Eine solche Fahrweise ließe sich mit dem Gebot des § 1 Abs. 2 StVO nicht vereinbaren.

 

Rz. 213

Dem am weitesten rechts eingeordneten Rechtsabbieger kann jedoch dann nicht stets das Vortrittsrecht zugebilligt werden, wenn paralleles Abbiegen in eine mehrspurige Straße durch Richtungspfeile geboten ist. Der Massenverkehr erlaubt in einem solchen Fall das Fahren in mehreren Reihen nebeneinander, ohne zu überholen oder sich stets vor dem weiter rechts Fahrenden einordnen zu müssen. Dem entspricht § 7 Abs. 3 StVO. An die Stelle des Rechtsfahrgebots tritt die Pflicht zum Spurhalten. Ziel der Richtungspfeile und der Möglichkeit zum parallelen Abbiegen ist nämlich die Schaffung von mehr Verkehrsraum, der auch genutzt werden soll. Dem liefe der Vorrang des am weitesten rechts Eingeordneten entgegen, weil dadurch die ausgewiesene zweite Abbiegespur nur erschwert zum Abbiegen verwendet und unbenutzt bleiben könnte. Deshalb muss bei paarweisem Rechtsabbiegen der links Fahrende den Bogen so weit nehmen, dass er die in der rechten Spur fahrenden Fahrzeuge nicht in Bedrängnis bringt und umgekehrt. Auch wenn an der Haltelinie der Kreuzung bzw. Einmündung Fahrbahnmarkierungen und Richtungspfeile enden und nicht über den Kreuzungsbereich in die Straße, in die abgebogen wird, fortgeführt werden, besteht demzufolge zwischen den übereinstimmend mit den Richtungspfeilen vor der Einmündung mehrspurig nach rechts eingeordneten Fahrzeugen grundsätzlich kein Vorrang des am weitesten rechts eingeordneten Fahrzeugs.

 

Rz. 214

Zwar war im vorliegenden Fall § 7 Abs. 5 StVO nicht direkt anzuwenden, weil die vor der Kreuzung vorhandenen Fahrstreifen dort endeten. Da für das Vorhandensein mehrerer Fahrstreifen die zum Fahren eines mehrspurigen Fahrzeugs erforderliche Breite entscheidend ist und nicht das Vorhandensein von Fahrbahnmarkierungen, stellt ein Wechsel von einer Fahrspur in die andere während des Abbiegevorgangs nur im Hinblick auf das Queren des nicht markierten Kreuzungsbereichs und die allgemeine Änderung der Fahrtrichtung keinen Spurwechsel im Sinne des § 7 Abs. 5 StVO dar. Doch ist über § 1 Abs. 2 StVO die für den Spurwechsel geltende Sorgfalt auch in einem solchen Fall, der eine besondere Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer darstellt, zu beachten. Außerdem ist der rechts eingeordnete Fahrzeugführer durch das Rechtsfahrgebot in § 2 Abs. 2 S. 1 StVO gehalten, beim Abbiegen die ihm mögliche rechte Position einzunehmen. Nur wenn der linke Fahrzeugführer besondere Sorgfalt walten lässt und den rechts neben ihm befindlichen Verkehr beobachtet, der sich seinerseits so weit wie möglich rechts zu halten hat, kann ein paralleles Abbiegemanöver zügig und gefahrlos für die Beteiligten durchgeführt werden.

 

Rz. 215

Danach war rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dem Beklagten zu 1 die volle Haftung für den Zusammenstoß mit dem Fahrzeug der Klägerin auferlegt hatte. Wegen der nach rechts und nach links weisenden Richtungspfeile auf der markierten mittleren Fahrspur der Stadtautobahn durfte der Zeuge F. nach rechts in die B-Allee parallel zu dem auf der rechten Fahrspur eingeordneten Beklagten zu 1 abbiegen. Dass sich auf der rechten Fahrspur ein Hindernis befunden oder sich die Fahrbahn verengt hätte, wird von keiner Partei geltend gemacht und war ersichtlich nicht der Fall. Auf Grund des nach rechts weisenden Richtungspfeils auf der mittleren Spur der Stadtautobahn musste der Beklagte zu 1 damit rechnen, dass links von ihm Fahrzeuge in die B-Allee abbiegen würden, um auf dem linken Fahrstreifen ihre Fahrt fortzusetzen. Er hatte deshalb seine Fahrweise darauf einzurichten und durfte nicht ohne Rücksicht auf den links vor ihm fahrenden Zeugen F. abbiegen.

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