Rz. 350

Achtung: Gesetzliche Neuregelung ab 17.7.2020 (siehe Rdn 378 in diesem Kapitel)

BGH, Urt. v. 27.10.2010 – IV ZR 279/08, zfs 2011, 90 = VersR 2011, 105

Zitat

VVG (Fassung vom 1.1.1964) § 59 Abs. 2; StVG §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 4, 18 Abs. 1; PflVG § 3 Nr. 1; KfzPflVV § 2; AKB a.F. §§ 10, 10a

Bei der Doppelversicherung eines Gespanns aus einem Kraftfahrzeug und einem versicherungspflichtigen Anhänger haben im Regelfalle nach einem durch das Gespann verursachten Schaden der Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs und der des Anhängers den Schaden im Innenverhältnis je zur Hälfte zu tragen.

a) Der Fall

 

Rz. 351

Die Klägerin machte einen Ausgleichsanspruch nach Regulierung eines Unfallschadens geltend. Der Versicherungsnehmer beider Parteien verursachte am 28.12.2006 als Fahrer eines Gespanns, bestehend aus einer bei der Klägerin haftpflichtversicherten landwirtschaftlichen Zugmaschine und einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Anhänger, einen Unfall. Infolge nicht angepasster Geschwindigkeit scherte der mit einem Bagger beladene Anhänger auf regennasser Fahrbahn bei einem Bremsmanöver aus. Er stieß zunächst gegen einen ordnungsgemäß am Fahrbahnrand abgestellten Pkw, anschließend gegen einen Zaun. Die noch im Aussteigen aus dem Pkw begriffene Beifahrerin wurde verletzt, der Pkw und der Zaun wurden beschädigt.

Die Klägerin hatte an die Geschädigten Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 12.911 EUR gezahlt, die sie zur Hälfte von der Beklagten ersetzt verlangte.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 352

Das zulässige Rechtsmittel hatte Erfolg.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts stand der Klägerin kein Ausgleichsanspruch zu.

Beide Parteien hafteten den Geschädigten nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG a.F., § 421 BGB als Gesamtschuldner. Ihre Ausgleichspflicht im Innenverhältnis bestimme sich nicht nach § 59 Abs. 2 VVG a.F. oder § 10a der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung a.F. (AKB a.F.), sondern allein nach § 17 StVG. Danach scheide ein Innenausgleich aus; denn der Halter der Zugmaschine bleibe gegenüber dem des Anhängers allein zum Schadensersatz verpflichtet, solange nicht besondere Umstände – etwa Mängel – die Betriebsgefahr des Anhängers erhöht und dadurch bei dem Unfall mitgewirkt hätten. Solche Umstände lägen hier nicht vor. Die bloße Betriebsgefahr des Anhängers trete gegenüber dem Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteil des Halters und Führers der Zugmaschine zurück. Die Haftungserweiterung auf den Anhängerhalter nach § 7 Abs. 1 StVG habe lediglich den Schutz des Geschädigten bezweckt, nicht aber dem Halter der Zugmaschine im Innenverhältnis regelmäßig einen Ausgleichsanspruch mit Rücksicht auf die Betriebsgefahr des Anhängers gewähren sollen.

 

Rz. 353

Das hielt rechtlicher Nachprüfung durch den IV. Zivilsenat (Versicherungssenat) nicht stand.

Die Beklagte muss nach § 59 Abs. 2 S. 1 VVG a.F. die Hälfte des von der Klägerin regulierten Schadens tragen. Mithin stand der Klägerin der geltend gemachte Ausgleichsanspruch zu.

 

Rz. 354

Die Haftpflichtversicherungen der Zugmaschine einerseits und des Anhängers andererseits begründen für das aus beiden Fahrzeugen gebildete Gespann eine Doppelversicherung i.S.v. § 59 Abs. 1 VVG a.F. Die Identität des jeweils versicherten Interesses, d.h. die Deckungsgleichheit des Versicherungsschutzes, beschränkt sich nicht auf Haftpflichtansprüche, die aus dem Gebrauch des Anhängers, sondern erfasst das gesamte Gespann aus Zugmaschine und Anhänger, die insoweit eine Betriebseinheit bilden.

 

Rz. 355

Der Umfang des Versicherungsschutzes für das jeweils versicherte Fahrzeug bestimmt sich nach den – beiden Versicherungsverträgen zugrunde liegenden – AKB in deren bis zum Jahre 2008 verwendeten Fassung. § 10 dieser Bedingungen hat folgenden Wortlaut:

 

Rz. 356

Zitat

§ 10 Umfang der Versicherung

(1) Die Versicherung umfasst die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Schadenersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch den Gebrauch des im Vertrag bezeichneten Fahrzeugs:

a) Personen verletzt oder getötet werden,
b) Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhandenkommen,
c) Vermögensschäden herbeigeführt werden, die weder mit einem Personen- noch mit einem Sachschaden mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen.

(2) Mitversicherte Personen sind:

a) der Halter,
b) der Eigentümer,
c) der Fahrer
 

Rz. 357

Die bei der Klägerin gehaltene Versicherung der Zugmaschine erstreckte sich nach § 10a AKB a.F. auch auf Schäden, die durch einen Anhänger verursacht werden, der mit dem Kraftfahrzeug verbunden ist oder sich während des Gebrauchs von diesem löst und noch in Bewegung befindet. Mitversichert sind dabei auch Halter, Eigentümer und Fahrer des Anhängers.

 

Rz. 358

Der bei der Beklagten genommene Versicherungsschutz für den – nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. ...

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