Rz. 139

Zu beachten ist:

Die am Markt zur Verfügung gestellten Bedingungswerke sind nicht zwingend einheitlich. Sie gehen zum Teil über den gesetzlichen Mindestdeckungsumfang hinaus, werden aber auch – selbstverständlich nur außerhalb der gesetzlichen Mindestdeckungssumme – eingeschränkt.
Zahlreichen Versicherungsverträgen liegen noch "Altbedingungen" zugrunde, weil diese Verträge seit Längerem nicht aktualisiert worden sind. Ungeachtet dessen hat der Versicherer den Versicherungsnehmer im Rahmen der gesetzlich definierten Mindestdeckung frei zu stellen.
Die heute marktüblichen Bedingungswerke stellen – von jeweils individuellen Besonderheiten des betreffenden Anbieters abgesehen – die Basis der folgenden Ausführungen dar. Zu beachten bleibt, dass nicht alle am Markt vorzufindenden Abweichungen hiervon nachfolgend behandelt werden.
In 2011 haben einige (wenige) Versicherer die AVB insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung der Haftungsrechtsprechung zur Sozietät neu gefasst und – wenngleich mit gewissen Beschränkungen – entsprechende Erweiterungen der Deckung vorgenommen. Das im Anhang befindliche Bedingungswerk (AVB) entspricht der zuvor erwähnten jüngsten "AVB-Generation", erhebt aber keinen Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit.
In 2013 haben die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer ihre Bedingungen an die neue Rechtslage der PartGmbB und der Rechtsanwalts-GmbH angepasst. Hier ergeben sich zum Teil erhebliche Unterschiede, wobei alle Versicherer den gesetzlichen Mindestanforderungen folgen.
 

Rz. 140

Angesichts der bereits geschilderten äußerst strengen Maßstäbe hinsichtlich anwaltlicher Pflichten und anwaltlicher Sorgfalt liegt es auf der Hand, dass aus fehlerhafter Berufsausübung existenzielle Vermögensfolgen resultieren können. Ihre Absicherung durch die anwaltliche Berufshaftpflichtversicherung sollte daher ungeachtet des gesetzlichen Zwangs zu deren Abschluss und Aufrechterhaltung während der Berufstätigkeit ein zentrales und kontinuierlich zu behandelndes Thema in der jeweiligen Kanzlei sein. In Bezug auf den Pflichtdeckungsumfang hat der Anwalt keine Wahl, da dieser gesetzlich – als Mindestdeckung – vorgeschrieben ist. Geht sein materieller Deckungsbedarf über das gesetzliche Mindestmaß hinaus, ist es ihm unbenommen, dieses Mehr an Deckung "einzukaufen". Da heute auch deutlich mehr Anbieter auf der Versichererseite vorhanden sind als noch vor 10 Jahren, muss der Anwalt sich nur für den aus seiner Sicht verlässlichsten und wirtschaftlich besten Versicherer entscheiden, mag es sich bei diesem auch nicht um einen der etablierten "Platzhirsche" handeln.[419]

Da auch Anwälte fehlbar sind – so belegen es jedenfalls langjährig gesammelte Daten der Versicherer – sollte jedem Anwalt die wirtschaftliche Bedeutung einer Berufs-Haftpflichtversicherung bewusst sein; denn seine persönliche Haftung ist im Zweifel nicht limitiert und damit ­existenziell. Daher kann die seit dem 9.9.1994 geltende Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung nur als "Denkanstoß" gesehen werden, sich angemessen zu versichern und nicht nur die gesetzliche Pflicht zu erfüllen. Jedem ist klar, dass er seine Zulassung einbüßt, wenn er die Mindestdeckung nicht während der Dauer seiner Zulassung aufrechterhält, § 51 BRAO.[420]

 

Rz. 141

Die Versicherungspflicht trifft ausnahmslos jeden Rechtsanwalt, und zwar unabhängig davon, ob er in dieser Eigenschaft auch tätig ist oder nicht, und welche Umsätze er mit dieser Tätigkeit erzielt. Dies ergibt sich aus § 51 BRAO ("Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung […] aufrecht zu erhalten."). Die entsprechende Vorschrift des § 67 StBerG für Steuerberater lautet demgegenüber "Selbstständige Steuerberater sind verpflichtet […]".

Auch der Titular- oder der Syndikusanwalt, für dessen Tätigkeit letztlich weitgehend sein Prinzipal aufkommt (sofern sie nämlich im Rahmen des Arbeitsvertrages und auf dessen Veranlassung hin geschieht), braucht deshalb eine Berufshaftpflichtversicherung. Nicht versichert sind dabei allerdings die denkbaren Ansprüche des Prinzipals gegen den Syndikusanwalt aus seiner Syndikus-Tätigkeit.

 

Rz. 142

Die Versicherung ist Voraussetzung für die Zulassung zur Anwaltschaft (§ 12 Abs. 2 S. 2 BRAO). Ohne Versicherungsschutz gibt es keine Zulassung; fällt der Versicherungsschutz weg, dann hat dies den Widerruf der Zulassung zur Folge (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO); denn ohne eine entsprechende Versicherung soll nach dem Gesetz kein Anwalt praktizieren können.[421]

 

Rz. 143

Um diese Verpflichtung durchzusetzen, sind alle Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer gesetzlich verpflichtet, den Rechtsanwaltskammern den Beginn und die Beendigung oder die Kündigung des Versicherungsvertrages sowie jede Änderung des Versicherungsvertrages, die den vorgeschriebenen Versicherungsschutz beeinträchtigt, unverzüglich mitzuteilen (§ 51 Abs. 6 und 7 BRAO und Teil 2 A. Ziff. 4 AVB). Gleichermaßen regelt § 51 Abs. 6 BRAO die Erteilung von Auskünften zur Berufs-Haftpflicht...

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