Rz. 22

Bestimmend für den Inhalt und den Umfang der Pflichten des Anwaltes ist grundsätzlich das zwischen den Parteien des Anwaltsvertrages Vereinbarte. Eine differenzierte Betrachtung uneingeschränkter, umfassender Mandate und eingeschränkter Mandate ist in jedem Fall angezeigt. Letzteres verpflichtet den Anwalt, sich mit der ihm übertragenen Rechtssache nur in einem konkret umrissenen, engen Rahmen anzunehmen. Dies kann sich beziehen auf einen Teilbereich des Streitgegenstandes, auf die Reichweite oder die Richtung.[71]

 

Beispiel

Der Anwalt wird von seinem Mandanten beauftragt, seine Interessen in einem Finanzgerichtsrechtsstreit zu vertreten. Das Mandat ist auf den Gegenstand – Verfahren vor dem FG – beschränkt. Die Pflichten des Anwalts sind in diesem Fall beschränkt auf die Wahrnehmung der steuerrechtlichen Interessen des Mandanten. Eine Beratung des Mandanten dahingehend, dass dessen Steuerberater in dieser streitgegenständlichen Angelegenheit wegen einer evtl. vorhergehenden Falschberatung regresspflichtig sein könnte, ist nicht Gegenstand dieses so beschriebenen eingeschränkten Anwaltsvertrages. Gleichwohl muss der Anwalt – wenn er dies erkennen kann – den Mandanten auf die möglicherweise in Betracht kommende Haftung und die evtl. drohende Verjährung des Haftpflichtanspruchs hinweisen (nicht beraten).[72]

Hervorzuheben ist, dass das eingeschränkte Mandat den Ausnahmefall darstellt. Besteht also zwischen Anwalt und Mandant Streit über den Umfang des betreffenden Mandats, ist grundsätzlich von einem umfassenden Auftrag auszugehen, es sei denn, der Anwalt legt die Vereinbarung des eingeschränkten Umfangs dar und kann diesen beweisen.[73]

 

Hinweis

Die schriftliche Fixierung des Mandatsumfangs schafft Klarheit, Transparenz und Sicherheit bezüglich der beiderseits bestehenden Rechte und Pflichten. Ob die zu erbringende anwaltliche Dienstleistung – idealtypisch – förmlich in einem schriftlichen Vertrag niedergelegt wird, oder über die schriftliche Bestätigung als Schreiben an den Mandanten, ist grundsätzlich irrelevant.

Verantwortlichkeit und Pflichtenkreise: "Klassische" Anspruchsgrundlage für die Haftung des Rechtsanwalts gegenüber seinen Mandanten/Auftraggebern ist § 280 BGB, der an die Stelle der von der Rechtsprechung entwickelten sog. positiven Vertragsverletzung getreten ist. Grundvoraussetzung für die Haftung aus § 280 BGB ist ein (Anwalts-)Vertrag,[74] der wiederum den Inhalt sowie Umfang der beiderseitigen Rechte und Pflichten im Mandat[75] definiert.

Für den Anwalt ergeben sich danach die von der Rechtsprechung entwickelten vier sog. Kernpflichten:

Aufklärung des Sachverhalts,[76]
Rechtsprüfung,[77]
Rechtsberatung,[78]
Schadensverhütung.[79]

Dabei handelt es sich um nichts weiter als die selbstverständlichen, zentralen Mindestanforderungen für qualifizierte anwaltliche Tätigkeit.

 

Rz. 23

Grundsätzlich ist es – aus den o.g. Kernpflichten abgeleitet – zentrale Pflicht des Anwalts, den Mandanten (unter Berücksichtigung aller Risiken, Zweifel und Bedenken)[80] allgemein, umfassend und möglichst erschöpfend zu beraten und zu belehren.[81]

Der Anwalt muss seinen Mandanten selbstverständlich persönlich beraten; er darf diese Aufgabe an eine/n Anwaltskollegen/in delegieren, jedoch nicht einfach auf seinen Bürovorsteher.[82] Zur ordnungsgemäßen Erfüllung der vertraglichen Pflichten kann er auch gehalten sein, einen auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisierten externen Kollegen einzuschalten, wenn er eine schwierige Rechtsfrage nicht selbst zu lösen vermag.[83] Unter Haftungsgesichtspunkten und mit Blick auf die Verschwiegenheitsverpflichtung sollte der Mandant aber stets über die Einschaltung des Spezialisten informiert werden, oder – besser noch – ein eigenständiges Mandatsverhältnis zu diesem begründen. Erfährt der Mandant nichts von der Auftragsvergabe an den "Subunternehmer" und wird hinsichtlich der Haftung für dessen Rechtsrat keine besondere Vereinbarung getroffen, haftet im Außenverhältnis allein der ursprünglich mandatierte Anwalt.

 

Rz. 24

Die Beratung muss auf alle Gesichtspunkte und Umstände eingehen, die für die Entscheidung des Mandanten in dieser Angelegenheit wesentliche Bedeutung haben könnten. Sie muss einen Hinweis auf konkrete wirtschaftliche Gefahren und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen einschließen. Der Anwalt ist allerdings nicht in jedem Fall verpflichtet, den Mandanten in steuerrechtlicher Hinsicht zu belehren und zu beraten, vor allem, wenn es sich um eine spezielle steuerrechtliche Problematik handelt, die nicht allgemein bekannt ist.[84] Sofern es sich allerdings um eine einfache steuerrechtliche Konsequenz handelt – z.B. die für den Mandanten beanspruchte Leistung ist einkommenssteuerpflichtig, beeinflusst also ggf. die Höhe der zu beanspruchenden Leistung – muss der Anwalt diese in seiner Beratung berücksichtigen.

Es ist Sache des Anwalts, seinem Mandanten die Schritte anzuraten, die zu dem von ihm erstrebten Ziel führen. Dazu gehört es, den Mandanten bei einem strafrechtlichen Man...

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