Rz. 7

Bei der Bearbeitung eines Haftpflichtfalles ist streng zu unterscheiden zwischen dem Deckungsverhältnis (Versicherer/Versicherungsnehmer) und dem Haftpflichtverhältnis (Versicherungsnehmer/Anspruchsteller).

 

Rz. 8

Die Notwendigkeit dieses "Trennungsprinzips" ergibt sich daraus, dass das Haftpflichtverhältnis einerseits und das Deckungsverhältnis andererseits zwischen verschiedenen Parteien bestehen.[2] Im Deckungsprozess wird entschieden, ob und inwieweit das behauptete Schadenereignis Gegenstand des Versicherungsvertrages ist (vertragliche Ansprüche). Im Haftpflichtprozess geht es ausschließlich darum, ob und inwieweit der Versicherungsnehmer für einen Schaden einzustehen hat (gesetzlicher Schadensersatzanspruch).

 

Rz. 9

Die strenge Trennung zwischen dem Deckungsverhältnis und dem Haftpflichtverhältnis ändert nichts daran, dass die Feststellungen des vorangegangenen Haftpflichtprozesses auch für den Deckungsprozess bindend sind;[3] diese Bindungswirkung gilt nur für die festgestellten Tatsachen, nicht für die rechtliche Würdigung[4]

 

Beispiel

Wird der Versicherungsnehmer im Haftpflichtprozess wegen Fahrlässigkeit verurteilt, kann der Versicherer sich im Deckungsprozess dennoch auf Leistungsfreiheit wegen Vorsatzes berufen.

 

Rz. 10

Diese Bindungswirkung tritt auch dann ein, wenn gegen den Versicherungsnehmer ein Versäumnisurteil ergangen ist.[5] Voraussetzung ist jedoch, dass der Versicherer über den Haftpflichtprozess informiert war und es gleichwohl unterlassen hat, den Haftpflichtprozess für den Versicherungsnehmer zu führen.[6]

[2] Prölss/Martin/Lücke, § 100 VVG Rn 46.
[3] BGH, VersR 2007, 641; KG, VersR 2008, 211; Prölss/Martin/Lücke, § 100 VVG Rn 59 m.w.N.
[4] BGH – VI ZR 211/07, VersR 2011, 203.
[5] BGH, NJW 2003, 635.
[6] Prölss/Martin/Lücke, § 100 VVG Rn 59; OLG Frankfurt, 3 U 203/08, r+s 2011, 207 = VersR 2011, 522.

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