Leitsatz (amtlich)

Der vor Inkrafttreten des § 19a Abs. 2 S. 2 BNotO durch eine vorsätzliche Pflichtverletzung des Notars Geschädigte kann die Notarkammer darauf in Anspruch nehmen, seinen Anspruch als Versicherten des Versicherungsverhältnisses zwischen der Notarkammer und dem Vertrauensschadenversicherer treuhänderisch geltend zu machen, diese Forderung einzuziehen und die Leistung an ihn auszukehren; diesem Anspruch steht nicht entgegen, dass im vorangegangenen Haftpflichtprozess lediglich eine fahrlässige Pflichtverletzung behauptet und im Urteilsausspruch festgestellt wurde, wenn sich aus den im Deckungsprozess vorgetragenen Umständen der Pflichtverletzung eine vorsätzliche Begehungsweise ergibt.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 25.04.2006; Aktenzeichen 7 O 494/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der Zivilkammer 7 des LG Berlin vom 25.4.2006 geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, als Versicherungsnehmerin den Versicherungsanspruch wegen des Anspruchs der Kläger gemäß dem Versäumnisurteil des LG Berlin - Geschäftszeichen 84 O 58/03 - vom 24.3.2004 i.H.v. 62.316,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 % p.a. für den Zeitraum vom 7.9.1998 bis zum 30.4.2000 sowie Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.5.2000 treuhänderisch ggü. der E.H.K. AG, F., 212.12.2007 H., als Vertrauensschadenversicherer der Beklagten geltend zu machen, diese Forderung einzuziehen und die Leistung an die Kläger durch Überweisung auf deren Konto bei der Volksbank W., BLZ 2., Kto-Nr.: ..., auszukehren.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 75.000 EUR und hinsichtlich der Kosten in Höhe des beizutreibenden Betrages zzgl. 10 % abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert der Beschwer beträgt für die Beklagte 62.316,16 EUR.

 

Gründe

I. Die Kläger nehmen die beklagte Notarkammer als Versicherungsnehmerin einer Vertrauensschadenversicherung auf treuhänderische Geltendmachung der Ansprüche aus der Versicherung geltend. Die Versicherungsleistung soll die Schäden abdecken, die den Klägern durch eine - streitige - vorsätzliche Amtspflichtverletzung des ehemaligen Notars S. entstanden sind. Ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen den ehemaligen Notar ist durch das rechtskräftige Versäumnisurteil des LG Berlin vom 24.3.2004 - 84 O 58/03 tituliert worden. Der ehemalige Notar S. ist verurteilt worden, an die Kläger als Gesamtgläubiger 62.316,16 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Ferner ist festgestellt worden, dass der ehemalige Notar den Schaden, der den Klägern gem. Ziff. 1 entstanden ist, fahrlässig verursacht hat.

Die Kläger hatten dem ehemaligen Notar vorgeworfen, dass der von ihm am 16.7.1998 beurkundete Vertrag über den Erwerb einer bereits abgenommenen aber noch fertig zu stellenden Eigentumswohnung fehlerhaft sei, weil zwar die Abwicklung der von den Klägern zu leistenden Zahlung über ein Notaranderkonto vereinbart worden sei, die Auszahlung aber nicht davon abhängig gemacht worden war, dass eine Pfandhaftentlassungserklärung der Grundschuldgläubigerin vorlag. Ein lastenfreier Eigentumserwerb der Kläger sei nicht sichergestellt gewesen.

Da der Betrag auf dem Notaranderkonto auch nicht zur Ablösung der Grundschulden verwendet worden ist, ist es zur Zwangsversteigerung gekommen. Die Kläger mussten bei der Versteigerung noch einmal 61.866,37 EUR (121.000,10 DM = 110.335,61 DM +10.664,49 DM) zahlen, um das Eigentum lastenfrei zu erwerben. Ferner seien die Gebühr für die Erteilung des Zuschlages i.H.v. 519,80 DM sowie die Reisekosten i.H.v. 360 DM zu ersetzen. Die Kläger haben nach teilweiser Klagerücknahme einen Betrag i.H.v. 62.316,16 EUR geltend gemacht. Sie haben ferner vorgetragen, dass wegen der Vermögenslosigkeit der Vertragspartnerin (D.) eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht bestehe.

Zu den Einzelheiten des Vortrags wird auf die Akte des LG Berlin 84 O 58/03 verwiesen.

Die Kläger haben in der Folgezeit den Anspruch auf Versicherungsleistung gegen den Berufshaftpflichtversicherer des ehemaligen Notars gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Die von ihnen in Anspruch genommene Berufshaftpflichtversicherung hat eine Regulierung abgelehnt und sich damit verteidigt, dass nach § 4 Ziff. 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Haftpflichtversicherung leistungsfrei sei, wenn - wie im hiesigen Sachverhalt - eine Schadensverursachung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung vorliege.

Der ehemalige Notar S. habe die Pflichtverletzung wissentlich begangen. Aus einem anderen Haftpflichtfall sei bekannt, dass er wusste, wie man eine ungesicherte Vorleistung vermeidet. So sei dort die Auszahlung von der Vorlage der Löschungserklärungen für eingetragene G...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge