Rz. 51

Was die gegenseitige Erbeinsetzung von Nichtehegatten in formwirksamen gemeinschaftlichen Testamenten angeht, besteht ebenfalls eine nicht unerhebliche Meinungsvielfalt. Das Kammergericht hat einem derartigen gemeinschaftlichen[140] Testament in einem Beschl. v. 5.12.1968 die Umdeutung versagt.[141] Wechselbezügliche Verfügungen könnten nicht aufrechterhalten werden. Ohne in eine eingehende Ermittlung des Erblasserwillens einzutreten, entnimmt das Kammergericht § 2270 Abs. 2 BGB einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass bei gegenseitiger Erbeinsetzung die Verfügung des einen Erblassers nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde. Dieser Erfahrungssatz sei durch die langjährige Beziehung und gemeinschaftlich erworbenes Vermögen der Lebensgefährten im konkreten Fall bestätigt worden.[142]

 

Rz. 52

Das BayObLG ist von dieser Rechtsprechung in einem Beschl. v. 27.4.1993, der gleichlautende gemeinschaftliche Geschwistertestamente betraf, überzeugend abgewichen.[143] Das BayObLG legt dar, dass die Errichtung formgültiger Verfügungen nahe legt, dass die Erblasser keine Bindungswirkungen (§ 2271 Abs. 1 und 2 BGB) herbeiführen wollen.[144] Hinzu kam, dass sich die betagten Schwestern, die mangels näherer Verwandter im Verhältnis zueinander gesetzliche Erben waren, gegenseitig durch eine Nacherbschaft beschränkten.

 

Rz. 53

Nach überzeugender Literaturauffassung ist die gegenseitige Erbeinsetzung von Nichtehegatten praktisch stets als nicht wechselbezüglich anzusehen und einer Umdeutung in wirksame einzeltestamentarische Verfügungen zugänglich. Regelmäßig hätte jeder der Beteiligten seine Verfügung als einseitige getroffen, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass das angestrebte gemeinschaftliche Testament unwirksam war.[145]

[140] Die Lebensgefährten hatten gleich lautende als gemeinsame letzte Willenserklärung bezeichnete Verfügungen errichtet und jeweils gegenseitig mitunterzeichnet.
[141] KG v. 5.12.1968, 1 W 4146/68, NJW 1969, 798.
[142] KG v. 5.12.1968, 1 W 4146/68, NJW 1969, 798.
[145] Staudinger/Raff, BGB (2022), § 2265 Rn 20; Staudinger/Kanzleiter, BGB (2019), § 2265 Rn 12; ders., DNotZ 1973, 133, 146; i. Erg. auch Soergel/Wolf, § 2265 Rn 5.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge