Rz. 66

Höchst umstritten ist, ob ein "Wegfall" des Erstberufenen mit der Wirkung des Eintritts der vermuteten Ersatzerbenberufung gemäß § 2069 BGB vorliegt, wenn der Erstberufene die Erbschaft ausschlägt, um den Pflichtteil zu verlangen.[116] Teilweise wird vertreten, dass hier weder bei der Erb- noch bei der Nacherbfolge ein Wegfall vorliege, da ohne erkennbare gegenteilige Ansicht des Erblassers nicht anzunehmen sei, dass dieser den Stamm des Ausschlagenden, der ja seinen Pflichtteil als Ersatzstück seines Erbrechts erhält, durch Aufrechterhaltung der Ersatzerbfolge doppelt berücksichtigen wollte.[117] Eine andere Auffassung hält § 2069 BGB auch hier für anwendbar, da ein unbilliges Ergebnis dadurch vermieden werde, dass gemäß § 2320 BGB die nachrückenden Abkömmlinge im Innenverhältnis den Pflichtteilsanspruch des Ausschlagenden zu tragen haben. Zur Klarstellung bietet sich auch hier die Verwirkungsklausel an.[118]

 

Rz. 67

Bei der Fallgestaltung, dass der Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalles ausschlägt, um seinen Pflichtteil vom Vorerben zu verlangen, spricht nach einhelliger Ansicht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Erblasser den ganzen Stamm des ausschlagenden Erstberufenen ausschließen wollte, da dieser sonst durch den sofortigen Erhalt des Pflichtteils und den Wegfall des Risikos des Nachlassschwundes während der befreiten Vorerbschaft gegenüber den anderen Stämmen bevorzugt würde.

[116] Vgl. ausführlich zum Meinungsstand Günther, ZEV 2011, 357.
[117] BGHZ 33, 60 ff.; BGH NJW 1960, 1899 = DNotZ 1960, 662; Kipp/Coing, § 22 IV Fn 21.
[118] Palandt/Weidlich, § 2069 Rn 4.

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