Leitsatz (amtlich)

Schlägt einer von mehreren Vorerben die Erbschaft aus und verlangt den Pflichtteil, so kann sein als Nacherbe eingesetzter Abkömmling als Ersatzerbe zum Zuge kommen, wenn nicht ein anderer Erblasserwille feststellbar ist.

 

Normenkette

BGB §§ 2069, 2102, 2306, 2320

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 15.12.2010; Aktenzeichen 65 VI 3946/10)

 

Tenor

I. Der Beschluss des AG München vom 15.12.2010 wird in Ziff. 2 aufgehoben.

II. Im Übrigen werden die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 und die Anschlussbeschwerde der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der am 4.3.2010 verstorbene Erblasser war deutscher Staatsangehöriger. Seine Ehefrau ist am 12.5.2005 vorverstorben. Die Beteiligten zu 1, 2 und 4 sind die einzigen Kinder des Erblassers. Die Beteiligte zu 3 ist das einzige Kind der Beteiligten zu 4. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben keine Kinder.

Der Erblasser hinterließ ein am 2.11.2002 verfasstes handschriftliches Testament, das wie folgt lautet:

"Das Erbe ist nicht zum verschwenderischen Verbrauch gedacht, sondern als Rücklage für unverschuldete Notzeiten:

1. a) Meine Frau M. erbt 34 % des Erbes, die drei Kinder je 22 %. Meine Tochter L. (= Beteiligte zu 1) erhält 10 % von der Wohnung an der Heßstr. 21/2 mi., EW 23, im Voraus, weil A. (= Beteiligte zu 4) und G. (= Beteiligter zu 2) beim Kauf der Wohnung bereits je 10 % erhalten haben. Von meinen Kindern sollen blutsverwandte Abkömmlinge erben. Wenn es gesetzlich zulässig ist, sollen die Ehegatten der Kinder von meinem Nachlass nicht erben.

b) Meiner Frau M. räume ich ein kostenloses Wohnrecht auf Lebenszeit in einer von ihr gewünschten Wohnung ein.

2. Für den Fall, dass einer der Erben in Gütergemeinschaft verheiratet ist oder in Gütergemeinschaft heiraten sollte, wird das Erbe zum Vorbehaltsgut erklärt.

3. a) Das Erbe wird für die Zeit von 10 Jahren nach dem Tode meiner Ehefrau M. oder, sollte meine Ehefrau vor mir versterben, für die Zeit von 10 Jahren nach meinem Tode unter Testamentsvollstreckung gestellt.

b) Der Testamentsvollstrecker ist in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nach § 2207 BGB nicht beschränkt.

c) Die Auseinandersetzung erfolgt erst nach dem Ablauf der Testamentsvollstreckung, also 10 Jahre nach dem Tode des zuletzt verstorbenen Elternteils:

Vater (= Erblasser) und Mutter (= Ehefrau des Erblassers).

4. a) Zur Testamentsvollstreckerin ernenne ich meine Tochter L. (= Beteiligte zu 1).

b) Beim Ausfall der ernannten Testamentsvollstreckerin ernenne ich meinen Sohn G. (= Beteiligter zu 2) zum Testamentsvollstrecker.

(Ort), den 2.11.2002

Unterschrift"

Die Beteiligte zu 1 hat das Amt des Testamentsvollstreckers angenommen. Ihr wurde am 1.9.2010 ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt. Die Beteiligte zu 4 hat am 24.6.2010 die Erbschaft form- und fristgerecht ausgeschlagen.

Die Beteiligte zu 1 hat am 30.9.2010 formgerecht einen Erbschein beantragt, der sie und den Beteiligten zu 2 als Miterben zu je 1/2 ausweist mit dem Zusatz, dass Testamentsvollstreckung angeordnet ist. Sie ist wie der Beteiligte zu 2 der Auffassung, dass durch die Ausschlagung der Erbschaft durch die Beteiligte zu 4 und deren Geltendmachung des Pflichtteils die Beteiligte zu 3 nicht an die Stelle der Beteiligten zu 4 getreten sei. Schlage ein Abkömmling aus und verlange den Pflichtteil, so sei § 2069 BGB nicht anzuwenden, so dass die Abkömmlinge des Ausschlagenden im Zweifel von der Erbfolge ausgeschlossen seien. Der Erblasser habe nicht gewollt, dass die Beteiligte zu 3 aufgrund der Ausschlagung der Beteiligten zu 4 an deren Stelle trete. Auch Nacherbfolge sei von dem Erblasser nicht angeordnet worden. Durch die Formulierung "von meinen Kindern sollen blutsverwandte Abkömmlinge erben" habe der Erblasser nur ausdrücken wollen, dass im Falle des Vorversterbens eines der Kinder nicht ersatzweise dessen Ehegatte oder dessen Stiefkinder erben sollten.

Die Beteiligte zu 3 ist der Auffassung, dass sie aufgrund der Ausschlagung der Beteiligten zu 4 Miterbin geworden sei. Einen Ausschluss der Abkömmlinge der Ausschlagenden habe der Erblasser nicht gewollt. Der Erblasser habe zudem Nacherbfolge angeordnet. Er habe sie nur deshalb nicht ausdrücklich als Nacherbe genannt, weil er nicht gewusst habe, ob die Beteiligten zu 1 und 2 noch Kinder bekommen würden.

Mit Beschluss vom 15.12.2010 wies das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurück und bewilligte einen Erbschein, der die Beteiligte zu 1, 2 und 3 als Miterben zu je 1/3 ausweist mit dem Zusatz, dass bezüglich der Beteiligten zu 1 und 2 Nacherbfolge angeordnet ist, die Nacherbfolge jeweils mit dem Tod des Vorerben eintritt, Nacherben jeweils die Abkömmlinge des Vorerben sind, ersatzweise die Abkömmlinge der anderen Kinder des Erblassers nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge, das Nacherbenrecht nicht vererblich und Testamentsvollstreckung angeordnet ist.

Hiergegen wenden sich die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2. Mit Schriftsatz vom 20.2.2011 legte die Beteiligte zu 3 Anschlussbe...

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