Rz. 306

Im Verhältnis zu Wohnungseigentümern ist die Vertretungsregelung nach Sinn und Zweck einschränkend anzuwenden (teleologische Reduktion). Der Zweck des Verkehrsschutzes rechtfertigt es nicht, dass auch Wohnungseigentümer sich ohne Rücksicht auf die im Innenverhältnis zwischen der Gemeinschaft und dem Verwalter bestehenden Beschränkungen auf die Vertretungsmacht des Verwalters berufen können; in anderen Worten können hier Beschränkungen des Innenverhältnisses auf das Außenverhältnis durchschlagen. Einzelheiten sind durchweg streitig.

 

Rz. 307

 

Beispiel 1

In einer Gemeinschaft gilt ein Dauerbeschluss i.S.v. § 27 Abs. 2 WEG, wonach die Erhebung von Klagen gegen Miteigentümer stets eines vorherigen Zustimmungsbeschlusses bedarf. Der Verwalter verklagt einen Miteigentümer, ohne zuvor einen Zustimmungsbeschluss herbeigeführt zu haben. – Die Klage ist unzulässig, weil die Gemeinschaft vom Verwalter nicht wirksam vertreten wird.[426] Der von § 9b Abs. 1 S. 1 WEG bezweckte Verkehrsschutz spielt in diesem Fall einer Überschreitung der internen Beschränkungen keine Rolle. Das gleiche Ergebnis ergibt sich, wenn man auf den Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht abstellt.

 

Rz. 308

 

Beispiel 2

Der Verwalter ermächtigt Miteigentümer A zur Geltendmachung von Rückbauansprüchen gegen Miteigentümer B in Bezug auf eine von B vorgenommene bauliche Veränderung. Die (für die Geltendmachung der Rückbauansprüche gem. § 9a Abs. 2 WEG allein zuständige) Gemeinschaft hat keinen entsprechenden Beschluss gefasst (→ § 4 Rdn 125). Ist die Rückbauklage des A zulässig und begründet? – Ja, denn aus einer Entscheidung des BGH zum "Übergangsrecht" ist zu schließen, dass die Verwalterermächtigung in jedem Fall wirksam ist, auch wenn die Gemeinschaft nicht befragt wurde oder wenn eine etwaige Willensbildung der Gemeinschaft unwirksam ist. Der eigenmächtig handelnde Verwalter kann aber ggf. Regressansprüchen ausgesetzt sein.[427] Kritik: M.E. ist die vom Verwalter erklärte Ermächtigung im Beispielsfall, weil Dritte und somit der "Verkehrsschutz" nicht betroffen sind, nur wirksam, wenn nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 WEG eine Handlungsbefugnis des Verwalters vorlag. Im Beispiel ist sie unwirksam, denn es handelt sich nicht um eine Maßnahme untergeordneter Bedeutung i.S.v. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG. Ob eine Rückermächtigung zur Ausübung gemeinschaftlicher Rückbauansprüche erfolgen soll oder nicht, ist von den Eigentümern und nicht vom Verwalter zu entscheiden. Anders kann es bei Eilbedürftigkeit sein; dann kann das Verhalterhandeln gem. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG berechtigt und damit wirksam sein.[428]

[426] A.A. MüKo-WEG/Burgmair, § 9b Rn 14.
[428] AG Oberhausen v. 9.3.2021 – 37 C 1585/20, ZMR 2021, 690. Im Fall hatte der Kläger die Klage noch nach altem Recht berechtigt eingereicht und war von der WEG-Reform 2021 "eingeholt" worden; die Ermächtigung eilte.

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