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Welche Anforderungen sind an den Grad der Gewissheit bzw. der Ungewissheit bezüglich des Erbrechts einer Person zu stellen?

Volle Gewissheit über das Erbrecht ist nicht erforderlich. Ein Erbe kann als bekannt angesehen werden, wenn ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit für sein Erbrecht spricht. Zweifel an der Gültigkeit eines Testaments genügen nicht.[7] Ein Erbe ist jedoch dann als unbekannt anzusehen, wenn mehrere Erben in Betracht kommen, und sich der Tatrichter nicht ohne weitere umfangreiche Ermittlungen davon überzeugen kann, wer Erbe ist, etwa, weil Streit über die Testierfähigkeit des Erblassers und damit über die Gültigkeit des Testaments besteht.[8]

Fälle des Unbekanntseins des Erben:

Erhebliche, nicht sofort entkräftbare Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bei Vorliegen eines Testaments
Beachtliche Unwirksamkeitsgründe bspw. bei evtl. Sittenwidrigkeit eines Testaments
Die Vaterschaft eines nichtehelichen Kindes ist beim Erbfall noch nicht festgestellt. Hier sei darauf hingewiesen, dass Nachlasssicherung – bspw. die Bestellung eines Nachlasspflegers – auch nur bezüglich eines Erbteils möglich ist, wenn nur insoweit der Erbe/die Erben unbekannt ist/sind
Der Erbe ist vor dem Erbfall gezeugt, aber noch nicht geboren (§ 1923 Abs. 2 BGB "nasciturus")
Bei Einsetzung einer genehmigungspflichtigen Stiftung zur Erbin ist bis zur Erteilung der Genehmigung die Erbfolge ebenfalls unklar

Ist der Erbe zwar bekannt, aber abwesend, so kommt die Bestellung eines Abwesenheitspflegers nach § 1911 BGB in Betracht. Dafür ist allerdings nicht das Nachlassgericht, sondern das Betreuungsgericht zuständig.

[7] OLG Nürnberg BWNotZ 1978, 163.
[8] OLG München, Beschl. v. 29.3.2007 – 31 Wx 6/07, BayObLG FamRZ 1996, 308; Staudinger/Marotzke, § 1960 Rn 8.

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